Der Sohn des Verräters - 21
drei Tage lang vor dem Hauptquartier der Föderation geheim zu halten, aber es ließ sich nicht vermeiden, dass sie es irgendwann doch erfuhren, und nun war es so weit. Und Belfontaine würde der Versuchung nur schwer widerstehen können, aus dem emotionalen Aufruhr und dem Führungswechsel im Rat der Comyn Profit schlagen zu wollen. Es sei denn, er entschloss sich, bei Granfells Vorhaben nicht mitzumachen. Lew wusste um die unausgesprochene Rivalität zwischen den beiden Männern, auch wenn sie ihnen selbst nicht bewusst war.
Ein Lächeln spielte um seinen Mund – manchmal hatte Telepathie echte Vorzüge, auch wenn er selten darüber nachdachte.
Er ließ den Löffel sinken und führte sich die beiden Männer vor Augen. Sie waren misstrauisch und ehrgeizig, aber Granfell war zudem eigensinnig und hatte ein hitziges Temperament. Belfontaine war im Gegensatz dazu beherrscht und nutzte seinen Verstand und seine Schläue bestmöglich aus. Aber er war frustriert, und das würde ihn sehr wahrscheinlich zu Granfells Plan umschwenken lassen. Eine Stationierung auf Darkover stellte innerhalb der Bürokratie der Föderation eine Sackgasse dar, und falls sich die Föderation bald zurückzog, musste Belfontaine schnell handeln oder seinen Vorgesetzten eine Niederlage eingestehen. Hatte er aus seinem Missgeschick auf Lein III etwas gelernt? Lew bezweifelte es.
Männer wie Lyle Belfontaine lernten selten aus ihren Fehlern.
Jetzt war er sicher verzweifelt. Und verzweifelte Menschen sind immer gefährlich.
Lew blickte den langen Tisch hinab und stellte fest, dass Gareth Hastur-Elhalyn ihn anstarrte; die strahlend blauen Augen schienen ihn förmlich zu durchbohren. Dani Hasturs Sohn schaute eilig weg, aber nicht bevor Lew einen gierigen Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkt hatte. Er erinnerte Lew an den alten Dyan Ardais, und ein plötzliches Unbehagen erfasste ihn. Gareth schien zwar ein braver Bursche zu sein, aber Lew kannte ihn nicht sehr gut. Er musste nervöser sein, als er dachte, wenn er schon gegen ein vierzehnjähriges Kind Misstrauen hegte. Und wieso beobachtete ihn Gisela Aldaran? Eine weitere von ihren Dummheiten war das Letzte, was er jetzt brauchen konnte.
Aber sie lächelte, und Lew konnte sich nicht erinnern, wann er Gisela zuletzt hatte lächeln sehen. In ihrem Blick lag nichts Beunruhigendes, und dann erkannte er, dass sie eigentlich nicht ihn ansah, sondern seine Tischnachbarin, Katherine Aldaran. Wunder über Wunder – Giselas Miene drückte tatsächlich Zuneigung aus, als sie ihre Schwägerin betrachtete.
Kate hatte gerade ihre Suppe ausgelöffelt, sie schaute hoch, fing Giselas Blick auf und lächelte zurück. Ihre angespannte Haltung lockerte sich ein wenig, als sich die Blicke der beiden Frauen trafen. Lew wurde klar, dass sein plötzliches Schweigen Katherine verwirrt haben musste. Sie hatte offenbar verstanden, dass er sein Laran benutzte, und wahrscheinlich angenommen, es habe etwas mit ihr zu tun. Dennoch hielt sie ihre Furcht tapfer zurück, und er war erneut beeindruckt. Was ha tte er gerade zu ihr gesagt? Er wusste es nicht mehr …
Er wurde tatsächlich schon zu alt, um gleichzeitig noch eine normale Unterhaltung zu führen, während er auf telepathischem Weg kommunizierte. Diese Erkenntnis löste eine seltsame Zufriedenheit aus – er hatte sehr viel Glück gehabt, dass er ein so hohes Alter erreicht hatte. Es war ihm gelungen, viele seiner Feinde zu überleben, und er hatte sich im Laufe der Zeit ein wenig echte Weisheit erworben. Der beißende Schmerz bestand darin, dass er zugleich auch viele teure Freunde verloren hatte.
Lew aß noch einen Löffel Suppe. Sie war mittlerweile nur noch lauwarm und unappetitlich, daher schob er die Schale weg. Er dachte wieder an Granfell und Belfontaine und rekapitulierte, was er von seinen Besuchen im Hauptquartier über die beiden Männer wusste. Ihre Oberflächengedanken ähnelten sich, sie waren voller Ehrgeiz und zeugten von Machthunger. Lew hatte die Denkweise der beiden nie wirklich verstanden, egal wie vielen Leuten er begegnete, die genauso dachten. Er fragte sich, ob Lyle Belfontaine auch nur die leiseste Ahnung davon hatte, wie sehr sein Untergebener darauf brannte, ihn zu überflügeln. Ließ sich das vielleicht zum Vorteil Darkovers ausnutzen?
Von der anderen Tischseite her fixierte ihn Javanne Hastur mit einem Reptilienblick, ihre ohnehin vorstehenden Augen traten vor Argwohn noch weiter aus den Höhlen. Katherine rutschte nervös auf ihrem Sessel
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