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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Geschmacksknospen.« Er hob ihr Haar hoch und begann, sie im Nacken zu küssen. »Wo musst du zu dieser nachtschlafenden Zeit eigentlich hin?«
    Während sie die Frühstücksschale unter dem Wasserhahn ausspülte, sagte sie: »Zu einer Nudisten-Anlage.«
    Gabes Nacken-Untersuchung stockte. »Wenn mir ein anderer so was gesagt hätte, hätte ich mich verarscht gefühlt. Aber bei dir bin ich nicht sicher.«
    »Ich verarsche dich auch nicht. Evelyn will dort einige Porträts machen.«
    »Dachte ich mir schon. Zumindest bin ich nicht davon ausgegangen, dass du bei den Nackedeis mitmachen willst – auch wenn der Gedanke etwas für sich hat.«
    »Gabe, ich muss los.«
    »Ich weiß.« Doch seine Hände umfassten bereits ihre Brüste, und sie wurde gegen die Spüle gedrückt.
    »Wirklich, ich muss weg.« Trotz seiner Umklammerung schaffte sie es, sich umzudrehen. »Ich bin in drei Tagen wieder da.«
    »Drei Tage? So lange?«
    »Ich kann jetzt nicht wieder ins Bett, Gabe, es geht wirklich nicht.«
    Gabe schob das Geschirr und Besteck, das auf der Anrichte lag, in die Spüle. »Wer sagte denn etwas von Bett?«
    Fast hätte sie den Zug nach Connecticut verpasst und musste im Abteil ihre Lippen nachziehen. So fuhren sie also zu dieser FKK-Anlage und fotografierten nackte Menschen in Liegestühlen, nackte Menschen beim Grillfest, nackte Menschen beim Pingpong-Spielen. Zurück in New York, ging sie sofort zu seinem Restaurant. Er sah sie durch das dampfende Chaos des Küchenbetriebs, und auf seiner Miene lag vorwiegend Erleichterung.
    Auf der Fähre nach Irland schaut Aoife hinaus in die stürmische Nacht. Wie um alles in der Welt konnte es dazu kommen? Das erste Mal passierte es am Abend vor ihrer Abreise nach Connecticut, danach noch viele Male mehr, aber sie hatten immer verhütet, da war sie sich sicher. Ihre letzte Periode hatte sie wann? Ein paar Wochen vor Connecticut. Demnach war sie ungefähr im dritten Monat. So weit schon?
    »Kotzt du noch, oder lebst du schon?«, sagt Michael Francis, der hinter ihr aus dem Nichts auftaucht.
    Aoife reißt den Kopf hoch wie ein scheuendes Pferd. Ihr Gesicht ist nass, Regen läuft ihr aus den wirren Haaren. Sie starrt ihn an, als erkenne sie ihn nicht.
    »Alles in Ordnung mit dir?«, fragt er und klopft seine Taschen ab. »Ich habe noch Pfefferminz, willst du eines?«
    Sie schüttelt den Kopf: »Nein danke.«
    »Ich dachte immer, du wärst diejenige mit dem eisernen Magen«, sagt er und legt den Arm um sie. »Wahrscheinlich bist du vom amerikanischen Essen verweichlicht.«
    »Möglich«, sagt sie und blickt aufs Meer hinaus.
    »Komm wieder rein«, sagt er. »Die King-Lear-Szene ist beendet.«
    Wieder schüttelt sie den Kopf. »Nein, ich bleibe hier draußen.«
    »Wirklich? Es ist doch schweinekalt hier.«
    »Sicher. Mal was Neues.«
    »Okay, wie du meinst. Wir sehen uns dann später.«
    Michael Francis taumelt über das rutschige Deck zur Tür und winkt ihr noch einmal zu. Sie löst eine Hand von der Reling und winkt zurück. Sie sieht ihn durch den Passagierraum gehen, bis er wieder bei Claire und Hughie ist und die schlafende Vita auf seinen Schoß nimmt.
    Aber er hat sich nach ihr auf die Suche gemacht, und allein das ist wichtig, denkt Aoife.
    Unerbittlich stampft die Fähre durch die Wellen und bringt sie ihrem Ziel näher. Aoife klammert sich weiter an die Reling. Sie muss nur hier stehen bleiben, sagt sie sich, und alles wird gut.
    Aber verstehen kann sie es trotzdem nicht, und der Gedanke liegt wie ein nasses Handtuch in ihrem Hirn. In diesen Dingen ist sie doch so vorsichtig, viel vorsichtiger als andere, die sie kennt. In manchen Bereichen ist sie absolut bedenkenlos, aber nicht bei der Verhütung. Schon weil sie weiß, was für eine erbärmliche Mutter sie abgäbe. Sie könnte ihrem Kind ja nicht einmal eine Gutenachtgeschichte vorlesen. Die Frage bleibt also: Wie konnte das passieren? Vor allem, wie konnte es sein, dass sie nicht viel eher etwas gemerkt hat? Spürt man so ein Wesen nicht? Es ist doch in ihr, klammert sich an sie wie dieser Stummfilmstar, der ihr gerade nicht einfällt, an die Zeiger der großen Uhr, unter sich nichts als den rauschenden Verkehr. Vor allem kann sie überhaupt nicht abschätzen, wie Gabe reagiert. Nein, das wird nichts, das kann sie nicht machen.
    Nur vermittels eines ausgeklügelten menschlichen Origamis passen sie alle ins Auto von Michael Francis. Michael Francis fährt, Gretta belegt den Beifahrersitz. Auf der Rückbank sitzen Monica,

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