Der Sommer der Gaukler
jedoch ein zuvorkommendes Wesen. Er habe mehrere Gastzimmer, für den Rest der Truppe könne er Strohmatratzen in einem Raum neben der Heutenne, natürlich mit sauberen Leintüchern und Kissen, anbieten. Er halte im Übrigen viel auf Reinlichkeit.
Keiner aus der Truppe war sonderlich entzückt gewesen. Die Häuser des Dorfes machten einen ärmlichen Eindruck, der respektable Zweistock eines Richterhauses war die Ausnahme. In der Luft hing der süßliche Geruch dampfender Misthaufen. Die Menschen wirkten nicht abweisend, aber eigentümlich zurückhaltend. Nein, in städterischem Luxus waren sie nicht gelandet; hier war staubige Provinz, für ambitionierte Künstler völlig uninteressant. Aber zumindest würde ihn der Aufenthalt einigermaßen billig kommen. Eine andere Wahl gab es ohnehin nicht. Denn schließlich gab es da noch dieses kleine Problem mit der Spielerlaubnis. Schikaneder hatte fest damit gerechnet, dass sie ihm per entgegenkommendem Kurier ausgehändigt werden würde – eine vage Zusage war ihm ja bereits gegeben worden. Aber aus irgendwelchen Gründen war dies noch nicht geschehen. Hatte er den Kurier etwa verpasst, weil sie sich für die alte Route entschieden hatten? Es war wenig wahrscheinlich. Der Kurier hätte außerdem beim Kolber Station machen müssen, was aber, wie der Wirt versicherte, nicht geschehen war.
Die Compagnie würde hierbleiben und auf die Spielerlaubnis warten. Was noch in der Kasse war, müsste dafür reichen. Die Augsburger Kutscher hatte er bereits zurückgeschickt – zur Salzburger Grenze war es nicht mehr weit, eine halbe Tagesreise, mehr nicht. Die restliche Strecke konnte die Compagnie mit dem Postwagen zurücklegen, für die Bagage ließe sich bestimmt ein Fuhrmann aus dem Dorf finden.Schon am ersten Abend besserte sich die bis dahin eher gedämpfte Stimmung. Der Kolber schien eine tüchtige Köchin zu haben. Nach einer wohlschmeckenden Rahmsuppe wurde ein saftiger Kalbsbraten mit geschnittenen Nudeln aufgetragen, dem in Buttersoße schwimmende gebackene Forellen und Kartoffelsalat folgten. Mit Eierschaum überzogenes Gebäck und Kaffee bildeten den Abschluss des Mahls. Dem hiesigen Bier war weniger abzugewinnen, dafür schien der Weinkeller des Postwirts solide bestückt.
Mit der erlittenen Unbill dieses Reisetages versöhnte auch, dass das Personal von schlichter, natürlicher Freundlichkeit war, flink und umsichtig. Besonders die Wirtstochter Josepha war eine Augenweide, wie auch ihre Kollegin, die ein paar Jahre ältere Babett, auch sie eine liebenswürdige, wenn auch etwas melancholisch wirkende junge Frau.
Der Wirt hatte darüber hinaus durchblicken lassen, dass er mit dem hiesigen Gerichtsherrn übereingekommen sei, dass er in Bezug auf das Tanzverbot – soweit es sich nicht um heilige Zeiten handle, aber das sei ja wohl selbstverständlich, gelt? – bei noblen Gästen durchaus ein Auge zudrücken dürfe.
Das musste er nicht zweimal sagen, und so mündete bereits der erste Abend in ausgelassener Musik, in Gesang und Tanz sowie einem soliden Besäufnis, bei dem auch der Prinzipal Schikaneder keineswegs zurückstand.
Eleonore war auch hier um einige Grade beherrschter gewesen als er, was noch vor dem Einschlafen zu einer kleinen Meinungsverschiedenheit geführt hatte, die auch am nächsten Morgen noch nicht völlig ausgeräumt war.
Demoisell Bichler musste es gespürt haben, denn sie behandelte ihren Prinzipal mit hinreißendem Verständnis, was in eine verstohlene Umarmung, zärtliches Geflüster und in eine Verabredung für den heutigen Tag gemündet hatte.
Als hätte Schikaneder seine Grübelei minutiös geplant, tauchte in diesem Augenblick Demoisell Bichler am Fuß des Hanges auf, ein neckisches Sonnenschirmchen schwenkend. Sie winkte,raffte ihren Rock und eilte ihm entgegen. Schikaneder sah sich um, bevor er sie umarmte.
Wenig später tauchten sie in den Wald. Von Buchen beschattet, schlängelte sich der Pfad auf weichem Grund zwischen bemoosten Felsquadern hindurch. Eine Weile sprachen sie belanglos vor sich hin und machten Scherzchen um Scherzchen.
Er sei, tadelte ihn Demoisell Bichler lächelnd, wie alle großen Theaterleute auch im Privaten ein rechter Kasper. Ja, gerade daran erkenne man sie.
Wenn das stimme, gab er zurück, habe sie nicht weniger Talent. Ach was, meinte sie. Er wolle ihr nur schmeicheln.
Das natürlich!, gab er lächelnd zu. Sei er ein Trottel? Ein verkrüppelter Eheknecht? Aber eines müsse sie wissen: Was er zu ihrem Talent
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