Der Sommer der Gaukler
halber Fluss ist«, gab Tamerl zurück. »Dazu bräuchts einen Durchschlag zum vorderen Was serstollen. Das hätten wir uns aber überlegen müssen, wie der Gangnoch trocken gewesen ist.« Er hob die Hand, um einen Einwand Vesters abzuwehren. »Und mit Pumpen brauchst du erst gar nit anfangen. Das Wasser kommt zu stark nach. Im Moment wenigstens.«
»Wir sind nit die Einzigen«, beharrte Vester. »Die vom Nonnerboden drüben haben auch Wasser.«
»Richtig«, bemerkte Jagge. »Und als Dreingab die Gicht.« Er stützte die Hände auf seine Knie, stand auf und ging mit schweren Schritten in die Knappenstube. Tamerl griff in seine Schürzentasche und holte Pfeife und Tabaksbeutel heraus.
»Also«, begann Severin wieder. »Du musst nimmer selber schauen, Vester.«
»Wirst mir überlassen«, sagte Vester mürrisch.
Tamerl unterbrach das Stopfen der Pfeife. »Für blöd hältst uns aber nit?«, knurrte er.
»Ich halt euch nit für blöd. Aber ich muss wissen, ob wir –« »Jetzt hör endlich auf«, brauste Severin auf. »Meinst, dass wir
nit auch den toten Gang drüber angeschaut hätten?« »Ja – und? Ist er noch ganz?«
»Ja! Aber da willst du wieder anschlagen?! Bist noch ganz gesund?«
»Er geht in die gleiche Richtung wie der Ort drunter«, gab Tamerl zu bedenken. »Von der Verwerfung ist aber weit und breit nichts zu sehen.«
Vester nickte stumm.
»Hm... «, machte Severin. »Denkst du vielleicht an einen Durchstich zur Alten Zech? Dass wir nit jedesmal erst baden müssen, bis wir zum Ort kommen?«
»Woll«, nickte Vester. »Genau dran denk ich.«
»Das heißt noch zwei, drei Wochen Hauerei, bis wir halbwegs wieder was abliefern können«, rechnete Tamerl laut. »Wie lang wirds Wetter noch halten? Im letzten Jahr hats auf Kirchweih schon Schnee gehabt.«
»Das wären noch gute sechs Wochen«, warf Krister lebhaft ein.Tamerl sah ihn über die Schulter an. »Die Spatzen halten jetzt einmal den Schnabel.« Er drehte sich wieder zu Vester. »Aber auch dafür wirds nit ohne Stempenholz gehen.«
»Da hast jetzt einmal Recht«, sagte der Steiger. »Ohne das wirds nit abgehen.«
»Ja, aber –«
Jagge war in die Türöffnung getreten. Er legte sein Reisebündel auf die Bank, lehnte seinen Bergstock an die Wand und knöpfte seine Joppe zu.
»Was tust, Jagge?«, sagte Vester ungläubig.
»Seit wann bist blind?«
»Red!«
»Aber... Jagge ...?«, stammelte Krister.
»Was werd ich tun. Ich geh mir eine andere Heimat suchen.« »Ah! Und wo findst die?«
»Woll. Wo ich was zu fressen hab, Vester. Da ist die.« Silva sprang auf.
»Es ist noch was im Berg drin, Jagge ! «, rief er. »Es gehört uns! « »Woll«, sagte Jagge. Seine Stimme klang brüchig. »Dann holst dirs, Silva.«
Er wich den Blicken der Männer aus, schob seine Hacke in den Hosengürtel und griff nach seinem Stock. Dann warf er sein Reisebündel über die Schultern und ging. Die Männer meinten, noch ein Schluchzen vernommen zu haben, bevor er unterhalb der Abraumhalde verschwand. Dann waren auch seine knirschenden Tritte verklungen.
»Ich ging auch«, seufzte Severin bedrückt. »Wann ich bloß wüsst, wohin.«
Vester spuckte aus.
»Was ist mit euch anderen? Keins hält euch.«
»Red nit blöd daher, Vester«, sagte Severin müde. »Sag lieber, was wir tun sollen.«
Tamerl nickte.
»Ja. Was sollen wir denn anstellen, Vester?«
»Ich werds euch zeigen«, sagte der Steiger.
10
S olange er nicht an seine missliche Lage dachte, fühlte sich Emanuel Schikaneder wohl. Die Pause tat ihm gut. Endlich hatte er wieder ein wenig Zeit, sich mit Ideen zu neuen Stücken zu beschäftigen. Die Entwürfe stapelten sich schon auf seinem Schreibtisch.
Es war vor allem sein Erlebnis am Jochenpass, das ihm nicht mehr aus dem Sinn gehen wollte. Existierte irgendwo bereits ein Stück, das das Leben der Bergknappen zum Thema hatte? Nein – Könige und Kaiser, Ritter und andere Adelige, noble Bürger, deren Geschichten gab es bis zum Überdruss – aber eine Geschichte über die geheimnisvolle Welt unter Tage? Er wäre der Erste!
Im Handumdrehen sah er bereits die ersten Bilder eines neuen Dramas vor seinem geistigen Auge: Eine Gruppe braver Bergmänner in wilder, entlegener Gegend... die alten Sagen um Zauberwesen im Berg, die verborgene Schätze hüteten... ein Stolleneinsturz mit Blitz, Donner und Feuer, als krache das ganze Theatergebäude gleich mit ein – gäbe das nicht einen großartigen, noch nie gesehenen Effekt?
Der Prinzipal war
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