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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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Kaiser gestürzt, geköpft und gevierteilt, landeten ungerechte Richter am Galgen, wurden verlogene Pfaffen entlarvt und über Staatsraison, Moral und Gerechtigkeit debattiert, dasses eine reine Freude war. Was ging hier eigentlich vor? Holte das Volk, und beileibe nicht nur das niedere, sich hier etwas, was es unter der Fuchtel von Fürsten und Pfaffen an Freiheiten entbehrte? Nahm es plötzlich in Anspruch, seine Angelegenheit nicht mehr in Geheimkabinetten über seinen Kopf hinweg regeln, von kirchlichen Erlassen bestimmen zu lassen? Oder, schlimmer noch: War das nicht alles schon gefährliche Subversion, trug es nicht bereits den Keim eines Umsturzes in sich, vorerst noch unter dem Deckmantel einer sich harmlos gebenden, fröhlich lärmenden Kunst?
    Und an dieser Aushöhlung aller Gewissheiten nahm er, Peter Wallerschenk, teil? Er spürte zudem seit geraumer Zeit, dass seine Leidenschaft versiegte. Er ersetzte sie durch könnerhafte Routine, was zwar noch immer Eindruck erzielte, ihm aber das schale Gefühl des Selbstverrats bescherte. Was für eine bittere, nur noch im Weinkrug zu ersäufende Erkenntnis: Vom wahrhaftigen Künstler war er zum willfährigen Lieferanten der jeweils gewünschten Effekte hinabgesunken.
    In Augsburg war der ›Laertes‹ aus dem ›Hamlet‹ schwer erkrankt. Mit gemischten Gefühlen hatte Wallerschenk die Entscheidung des Prinzipals aufgenommen, ihm für die weiteren Aufführungen diese Rolle zu übertragen.
    Er war alles andere als ein Freund dieses Shakespeare. Er war ihm zu wüst, zu unentschieden zwischen grobem Effekt und feiner Poesie, und er konnte keine Moral darin entdecken. Wurde diese – mit Vorliebe am Ende des Stücks – behauptet, so verdächtigte er den Autor, sie nur pflichtgemäß angehängt zu haben, sie als billigen Vorwand für sein theatrales Wüten zu benutzen.
    So ganz konnte Wallerschenk aber die Augen nicht davor verschließen, dass der ›Hamlet‹ mittlerweile zu den Renommierstücken der Compagnie gehörte. Er musste zugeben, dass der Prinzipal darin beeindruckend war. Die Hauptrolle gab Schikaneder mit entfesselter Intensität und rauschhafter Traumverlorenheit. Die Zuschauer waren hingerissen. Nicht seltenzwangen sie ihn mit frenetischem, nicht enden wollendem Applaus zur Wiederholung ganzer Szenen.
    Wallerschenk fügte sich der ordre du directeur . Die Aufführung sollte in zehn Tagen sein. Eine Entscheidung, kurzfristig wie immer.
    Wallerschenk wollte jede freie Minute nutzen, den Text zu memorieren. Er schlug das Textheft auf. Die Stelle war ihm vor Augen: Noch ahnen Laertes und Ophelia nichts von der sich anbahnenden Tragödie, der Gesprächston schwankt zwischen Ernsthaftigkeit und Tändelei. Den Rhythmus hatte er verinnerlicht. Was zu zeigen war, war ihm nicht fremd: Der liebevolle Bruder warnt seine Schwester vor den Männern, und er scheint gut zu kennen, wovon er spricht.
    Wallerschenk setzte sich in Bewegung. Er holte Luft.
    »Wenn du zu gläubig Hamlets Liede lauschest, dein Herz verlierst, und deine Keuschheit
    sich seinem ungestümen Drange öffnet – Fürcht es, Ophelia! Fürcht es, teure Schwester, und lenke die noch unschuldsvolle Neigung fort vom Strome der gefährlichen Begier.
    Der Mädchen Schönheit ist verschwenderisch genug wenn sie allein dem Monde sich enthüllt.«
    Etwas Weißes flatterte vor ihm auf. Eine Wäscheleine, behängt mit tropfenden Leintüchern, versperrte ihm den Weg. Wallerschenk sah ärgerlich auf. Dann entdeckte er die Wirtstochter, die etwas zu geschäftig in ihrem Wäschekorb wühlte. Sie wich seinem Blick aus. Ihre Wangen glühten. Es ist nicht zu ertragen, dachte Wallerschenk. War man hier nirgendwo unbeobachtet?
    Das Mädchen richtete sich auf und grüßte stammelnd. Wallerschenks Ärger verflog augenblicklich.
    »Sie hat mich belauscht?«, fragte er mit gespielter Strenge, fügte aber ein gnädiges Lächeln hinzu, das Sepha erleichtert erwiderte.»Nein... ich –«
    »Nun?«
    »So schön...«, brachte sie heraus. Ihr Blick sengte ein Loch in seine Weste.
    Wallerschenk nickte väterlich. Das Mädchen hatte schließlich Recht.
    »Der Mädchen Schönheit ist verschwenderisch genug, wenn sie allein dem Monde sich enthüllt –«, wiederholte er bedeutungschwanger, drückte die Leine nach unten, umfasste ihr Kinn und hob ihr Gesicht. Sie ließ es wie betäubt geschehen.
    »Doch welchen Reiz enthüllt das Licht des Tages?«
    Ihre Brust hob und senkte sich. Dann wand sie sich aus seinem Griff.
    »Weiß

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