Der Sommer der Schmetterlinge
zu essen, in die er Käsewürfel schnitt und die er aß, indem er nach jedem Löffel ein Stück Brot mit Butter abbiss. Und einen Schluck Cachaça nahm. Narcisa sah, dass er trank, aber das störte ihn nicht.
Es hatte ihn nie gestört. Und wenn er sich jetzt elend und leer fühlte, lag es einfach daran, dass die Dinge nicht mehr so waren wie vor zehn, zwölf Jahren. Otacília hatte die Rolle der Feindin und der Verbündeten gespielt. Vor zehn, zwölf Jahren war Afonso Olímpio glücklich und beinah noch jung gewesen, hatte das zu kurieren gewusst, was das Alter ihm zuzufügen begann. Hatte die Jugend an ihrer eigenen Quelle zu finden gewusst.
Dabei glaubte er, dass er durchaus hätte aufgehalten werden können. Wenn Otacília, seine Verbündete und Feindin, getan hätte, was sie hätte tun müssen, was sie aber lieber wie einen verdorbenen Trumpf im Herzen bewahrte.
Alles fing bei Otacília an, und alles endete bei ihr. Sie war der stumme Vorwurf und die verhasste Duldung. Die Hand, die weder schlägt noch streichelt, sondern nur reglos auf der Zeit liegt und ebenso unentbehrlich wie störendist. Otacília war das Leben und der Tod. Die Erlaubnis und das Verbot. Die Worte, die sie in achtundzwanzig gemeinsamen Jahren nicht gewechselt hatten, geisterten jetzt durch den Raum, aufgeblähte, stille, unmögliche, ins Gegenteil verkehrte Worte, die für immer fortdauern wollten.
Dieselben Worte, die auch Clarice leise zu vernehmen glaubte, nach allem, was geschehen war.
Die Erinnerung an Otacília wurde für Afonso Olímpio zu einer schrecklicheren und lebendigeren Version seiner Frau, als sie selbst es jemals gewesen war. Zu einem ausgehungerten Hund, der sich neben seinen Tisch setzte und ihn mit undurchdringlichen Augen (zwei blauen Aquamarinen) zwang, sich selbst gegenüberzutreten.
Das Essen bekam seinem Magen schlecht, aber er aß trotzdem. Weil er keine Wahl hatte. Die Möglichkeiten, eine andere Wahl zu treffen, schwebten alle in der Vergangenheit. Wenn er hinter sich geblickt hätte, hätte er sehen können, wie sie sich entfernten, ihm den Rücken kehrten, schon fast in den Schatten getaucht. Plötzlich fiel ihm etwas ein, und er fragte laut:
Wo bleiben eigentlich die Dinge, die wir nicht getan haben? Die wir hätten tun können, aber nicht getan haben?
Er sah die Gesichter all dieser Dinge vor sich. Doch er war sich nicht sicher, ob er sie liebte. Sie waren wie ein unbekannter Sohn, der eines Tages auftaucht, zwanzig Jahre alt, mit sprießendem Bart und einem Personalausweis in der Tasche.
Afonso Olímpio empfand keine Reue, aber er hatte auch keine haltbare Begründung für sein einstiges Handeln. Langsam drang ihm die Stille in die Ohren und presste sein Gehirn zusammen, vergebens suchte er nach Worten. Er nahm etwas Kürbiskompott, ließ es jedoch unberührt in seinem Schälchen stehen. Dann trank er einen Schluck Kaffee und ging mit dem Cachaçaglas in der Hand hinaus auf die Veranda. Der Himmel blutete nicht mehr, aber die Schwärze der sternenlosen Nacht weckte den Gedanken an geronnenes Blut.
Mit einem Mal begriff er, und ihn überlief ein angstvoller Schauer. Es gab tatsächlich einen Ort, wo die Dinge, die er nicht getan hatte, wie Geld auf einem Bankkonto aufbewahrt wurden. Die Dinge, die er hätte tun können. Die er hätte tun sollen. Und in seiner Erinnerung erschien das Bild eines zwölfjährigen Mädchens, dessen Brüste sich wie zwei kleine Birnen unter einer Spitzenbluse abzuzeichnen begannen.
Nach Otacílias Beerdigung und dem heimlichen Anruf bei Tomás bat Maria Inês João Miguel, sie in seinem Auto mitzunehmen.
Ich will jetzt nicht nach Hause. Ich weiß nicht, wohin ich überhaupt will, sagte sie. Und ergänzte ohne Bitterkeit, neutral wie ein Wassertropfen: Ich weiß nicht mal, wo mein Zuhause ist. Ist es die Wohnung von Großtante Berenice in Rio? Ist es das Haus meines Vaters auf der Fazenda? Ist es das Haus meiner Schwester, wo sie zusammen mit ihrem Mann und den Schwiegereltern wohnt?
In wenigen Minuten durchquerten sie das kleine Jabuticabais von einem Ende zum anderen und verließen die Stadt durch die Hintertür. João Miguel konnte nicht verstehen, warum Maria Inês trockene Augen hatte.
João Miguel wusste nicht.
Wohin willst du?
Ich weiß nicht. Aber dann erinnerte sie sich, dass in ungefähr zehn Kilometern ein Abzweig nach rechts kam, und sagte: Fahr dorthin.
Ihr Cousin zweiten Grades und zukünftiger Ehemann gehorchte.
Beiläufig fragte sie: Und dein
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