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Der Sonntagsmann

Der Sonntagsmann

Titel: Der Sonntagsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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verloren. Erst als sie von Björklinge wieder nach Uppsala gezogen war, haben wir uns öfters gesehen. Aber da habe ich mit Monica zusammen gewohnt und mein eigenes Leben geführt. Dann war sie unterwegs, ein halbes Jahr, erst per Interrail und dann bis nach Indien. Ich fand, dass sie ziemlich verändert war, als sie zurückkam. Irgendwie ernster.«
    »Haben Sie mit ihr darüber gesprochen?«
    »Nein. Soweit ich mich erinnere, nicht. Sie hat nicht viel von ihrer Reise erzählt.«
    »Glauben Sie, dass dort etwas Besonderes vorgefallen sein könnte?«
    »Das habe ich mich auch gefragt. Was sie wohl durchgemacht hatte. Ich war jedoch froh, dass sie ihr Leben jetzt endlich etwas in den Griff bekam. Sie begann zu arbeiten, und fing dann diese Ausbildung an der Volkshochschule an. Aber wir haben uns immer weiter voneinander entfernt, besonders seit sie aus Uppsala weggezogen war.«
    »Und Ihre Mutter? Hat sie nicht versucht, den Kontakt aufrecht zu halten?«
    »Sie hat es vielleicht versucht, aber Ylva war, glaube ich, nicht so interessiert. Und Mama hat wie immer den Schein gewahrt. Sie behauptete, sie könnten sich nicht so oft sehen, weil sie beide so viel zu tun hätten.«
    »Und Ihr Vater?«
    »Der ist ganz von der Bildfläche verschwunden. Ich glaube, ich habe ihn nach der Scheidung nur noch drei Mal gesehen.«
    Roger Malmberg sah Elina schweigend an.
    »Hübsche Familie, nicht wahr?«, meinte er dann. »Aber wahrscheinlich recht normal. Was glauben Sie wohl, was hinter all diesen Fenstern abgeht? Meine eigene Scheidung war auch kein Zuckerschlecken.«
    »Haben Sie eine Idee, wer der Vater von Ylvas Kind gewesen sein könnte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein. Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, wer sie ermordet hat. Was glauben Sie?«
    Elina breitete die Arme aus. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich sehe nichts, was nicht schon jemand vor mir gesehen hat. Einen Verdächtigen gibt es auch nicht.«
    »Es ist also hoffnungslos? In einem knappen Monat kann ihm nichts mehr zustoßen?«
    »Vermutlich läuft es darauf hinaus. Aber ich werde mein Möglichstes tun. Ich wollte Sie noch etwas anderes fragen. Bei den Akten fehlen fünf Tagebücher. Haben Sie die bekommen?«
    »Mama wollte sie haben. Als sie vor drei Jahren starb, habe ich einen Teil ihrer Sachen weggeworfen, weil ich nicht genug Platz für alles hatte. Aber ich glaube, dass ich die Tagebücher noch habe. Wahrscheinlich liegen sie in einem Karton auf dem Speicher. Wollen Sie, dass ich nachsehe?«
    »Ja, danke.«
    Sie erhoben sich vom Tisch. Roger Malmberg öffnete den Besenschrank und nahm einen Schlüssel von einem Haken. Er verschwand ins Treppenhaus und schloss die Tür hinter sich. Einige Minuten später kehrte er mit fünf Büchern in unterschiedlichen Umschlägen zurück. »Hier«, verkündete er. »Rufen Sie mich doch einfach an, wenn Sie noch Fragen haben.«
    Roger Malmberg und Elina verließen gemeinsam die Wohnung. »Zur Arbeit«, meinte er, als er die Tür abschloss. Auf dem Hof spielten zwei Mädchen Himmel und Hölle. »Wie Ylva«, seufzte Roger Malmberg wehmütig.
     
    Tina Möller hatte fast vollkommen schwarzes Haar. Außer an den Haarwurzeln, die waren grau. Rotes Brillengestell, weites, buntes Kleid, das ihr Übergewicht kaschieren sollte. Sie lächelte, als sie Elina vor dem Haupteingang des Stadttheaters an der Kungsgatan begrüßte. Elina fühlte sich bei ihrem Anblick an ein großes, frischgestrichenes Haus erinnert. Sie gingen in ein Café, das in der Nähe lag: noch mehr Kaffee. Tina Möller bestellte einen Kopenhagener. Elina lehnte ab, obwohl sie den warmen, süßen Gebäckduft verführerisch fand.
    »Ylva«, hob Tina Möller an und leckte ihren Finger ab. »Sie war eigentlich noch ein Kind, als sie in den Bagargården einzog, also in dieses Kollektiv in Björklinge, das hieß so. Wenn Bernt sie nicht mitgebracht hätte, hätte sie dort nie wohnen dürfen, es gab deswegen auch Streit. Sie war viel zu unreif und unsicher. Ich konnte nicht begreifen, was er in ihr sah, aber im Nachhinein verstehe ich das etwas besser. Er konnte mit ihr machen, was er wollte. Zu Anfang war sie wie ein Welpe, der ihm die Hand leckt, sie war dankbar, dass er sich um sie kümmerte. Es gibt Männer, die sich in Gesellschaft solcher Frauen wohlfühlen. Fragen Sie mich nicht, warum, aber so ist es. Und sie war seine Matratze. In der Anfangszeit hat sie sich seinen Wünschen gefügt.«
    »Und später?«, fragte Elina. »Sie hat schließlich mehrere Jahre dort

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