Der Spezialist: Thriller
Flashbacks.«
»Wovon?«
»Von meinem Vater.« Geiger hob die Hand. »Der Rest muss warten, Martin. Ich muss fort.«
»Wohin?«
»Nicht für lange.«
»Weichen Sie mir nicht aus, Geiger. Sie haben mich in die Sache hineingezogen. Ich muss mehr wissen.«
»Im Augenblick ist es am besten für Sie, wenn Sie möglichst wenig erfahren«, entgegnete Geiger. »Was Sie nicht wissen, können Sie niemandem erzählen.«
»Warum rufen wir nicht die Polizei? Der Junge ist hier sicher.«
»Es wäre schlecht für Harry und mich, diese Angelegenheit mit der Polizei zu besprechen.«
Corley schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht akzeptieren.«
»Das müssen Sie aber, Martin, denn ich werde jetzt gehen. Ich werde versuchen, mit Ezras Mutter Verbindung aufzunehmen. Dann suche ich jemanden auf, und anschließend komme ich wieder. Danach finden wir eine Möglichkeit, uns mit der Mutter des Jungen zu treffen, und das war’s dann.«
»Sie haben das alles schon geplant?«
»Nein. Ich bin mir aber sicher, dass ich mich in die richtige Richtung bewege. Es ist wie in den Träumen, Martin.«
Wieder schüttelte Corley den Kopf. »Aber in den Träumen kommen Sie nie dort an, wo Sie hinwollen – und am Ende zerfallen Sie.«
Corley sah, wie sich Geigers Miene ganz leicht veränderte, doch er erwiderte nichts, sondern kehrte ins Wohnzimmer zurück. Corley folgte ihm. Lily und Harry schliefen; ihre Köpfe ruhten aneinander.
»Ich muss weg«, verkündete Geiger.
Ezra sprang vom Sessel auf. »Was meinen Sie damit?«
»Ich rufe deine Mutter an.«
»Dann komme ich mit!«
»Nein. Du darfst dich auf der Straße nicht blicken lassen.«
»Aber ich will nicht allein hierbleiben.«
»Du bist hier nicht allein.«
Corley beobachtete, wie Ezra mit drei raschen Schritten an Geigers Seite trat.
»Ich möchte bei Ihnen bleiben«, sagte der Junge, in dessen Augen nun Tränen schimmerten. Er packte Geigers Hand.
»Hier passiert dir nichts«, sagte Geiger. »Martin ist ein guter Mensch. Ich bin bald wieder da.« Über die Schulter hinweg blickte er Corley an.
»Du kannst ihm glauben, Ezra«, sagte Corley. »Wenn Geiger sagt, er kommt zurück, dann kommt er zurück. Das weißt du doch, oder?«
Ezras Blick hatte Geigers Augen nicht losgelassen. »Versprochen?«
»Versprochen.«
Ezra sah Geiger noch einen Moment lang an; dann ließ er seine Hand los.
Geiger nickte Corley zu, ging zur Tür und verließ das Haus, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
***
Es war drei Uhr nachmittags. Auf der Mulberry Street, einer schmalen Geschäftsstraße, machten Lieferanten zu Fuß oder mit dem Wagen ihre Runde. Kunden waren mit Taschen voll mariniertem Fleisch und Pasta unterwegs; alte Männer saßen auf Treppenstufen und kauten auf erkalteten Zigarren. Ein dichter Strom von Gerüchen ritt auf Wärmeschwallen und dem unsteten Wind. Mehr als einmal hatte Carmine zu Geiger gesagt: »Ich weiß nicht, ob der Himmel riecht, aber wenn, dann riecht er wie die Mulberry Street.«
Vor dem Mulberry Deli warf Geiger Kleingeld in einen Münzfernsprecher, den er noch nie benutzt hatte. Er lauschte dem Freizeichen. Einmal, zweimal, dann ging eine Frau an den Apparat.
»Hallo?«
»Mrs. Matheson?«
»Schon eine Weile nicht mehr. Ich bin Mrs. Wayland. Wer ist denn da?« Ihre Stimme hatte einen Unterton à la »Erst schießen, dann fragen«.
»Mrs. Wayland, mein Name ist Geiger. Bitte regen Sie sich nicht auf. Es geht um Ihren Sohn.« Er hörte, wie sie nach Luft schnappte.
»O Gott, ich wusste, dass etwas nicht stimmt, als er nicht an sein Handy gegangen ist. Was ist passiert?«
»Ezra geht es gut. Und er ist in Sicherheit.«
»In Sicherheit? Was meinen Sie damit?«
»Gestern wurde Ihr Sohn von Männern entführt, die Ihren Exmann suchen, der sich versteckt und …«
»Was?«
»Bitte, Mrs. Wayland. Ich muss das so schnell wie möglich hinter mich bringen.«
»Wo ist mein Sohn? Und wer zum Teufel sind Sie?«
Geiger starrte auf den Hörer, der sich unpraktisch und seltsam anfühlte. »Ich habe Ezra aus der Gewalt der Entführer befreit. Er ist jetzt in Sicherheit.«
»Wo ist er?«
»An einem sicheren Ort. Er …«
»Hören Sie mir gut zu, Sie Bastard. Wenn Sie …«
»Ruhe!«
Auf der Mulberry Street sahen sich die Leute nach ihm um. Geiger ließ seinen Hals knacken und holte tief Luft. »Mrs. Wayland, wenn ich Sie bedrohen oder etwas von Ihnen verlangen wollte, hätte ich das längst gesagt. Denken Sie bitte einen Augenblick darüber nach. Ich
Weitere Kostenlose Bücher