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Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
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übergossen. Schatten waren kalt an der einen Seite der Hänge hinabgeflossen, während die andere in Brand zu stehen schien. Feuer und Eis waren über sie hinweggetanzt, bis die Sonne endgültig unter der Decke aus Nebel und Wolken verschwunden war.
    Immer wieder war es in tiefem Schnee über steile Abhänge gegangen. Nur vereinzelt hatte ein Felsen oder ein verkrüppelter Baum aus dem Weiß emporgelugt, das die Sonne in unerträgliches bleiches Gleißen verwandelte.

    Zerklüftete Bergflanken hatten sich um sie her trotzig in den Himmel gereckt, während sie hintereinander im schneidenden Wind auf schmalen Felsgraten entlangstapften. Zuweilen waren mächtige Bergadler hoch über ihnen dahingeglitten oder die weißgrauen, zotteligen Gestalten von Raugämsen waren über die Felswände gehuscht. Das helle Klacken ihrer Hufe hatte weit durch die klare Luft gehallt. Fernes Grollen, das sich zu einem ohrenbetäubenden Donnern steigerte, hatte von Lawinen gekündet, die sich irgendwo erbarmungslos in die Tiefe wälzten. – Und nun glitzerte dort in der Ferne, im Tal von Temair, eine gigantische Eismoräne im Sonnenlicht. Der Schlund des Gletschertores gähnte über der funkelnden Oberfläche eines zugefrorenen Flusses. In eisigem Blitzen ragten die Pfeiler einer Brücke aus ihm empor, auf der sich ein bunter Strom Reisender mit ihren Wagen und Tieren bewegte. Im ersten Augenblick war Cassim verwirrt, doch dann begriff sie: Die Stadt lag tief im Inneren der Moräne verborgen.
    »In drei Stunden sollten wir die goldene Brücke erreichen.«
    »Die goldene Brücke?« Verwundert sah Cassim Morgwen an.
    »Wenn das, was man sich erzählt, wahr ist, wurde Jarlaith vor langer Zeit aus Feuer und Gold erbaut. Von dem Feuer ist unter dem Eis nicht mehr viel übrig geblieben. Aber das Gold … Die Häuser, auch die ärmlichsten, sollen aus goldgeädertem Lacalmarmor sein und die Mauern des Palastes selbst aus purem Gold. Allerdings ist jetzt alles mit einer Schicht aus Eis überzogen, das niemals schmilzt. Es heißt, ein Fluch der Eiskönigin sei dafür verantwortlich, weil Jarlaith bis zuletzt dem Lord des Feuers die Treue hielt. Sie soll es auch gewesen sein, die das Eis heraufbeschwor, das die Stadt unter sich begrub. – Gehen wir weiter! Du wolltest doch heute Nacht in einem Bett schlafen. Wenn du dieses Bett nicht mit Ungeziefer teilen willst, sollten wir uns ein bisschen beeilen, sonst finden wir keine halbwegs anständige Herberge mehr.«

    »Woher weißt du das? Ich dachte, du warst noch nie in Jarlaith?« Cassim stemmte sich entschlossen in die Höhe und machte einen Schritt an Morgwen vorbei auf das Firnplateau hinaus, das vor ihnen schräg abwärtsführte. Sie hörte noch, wie Jornas zu einem Protest ansetzte, dann gab das Weiß unter ihren Füßen nach. Schneemassen rissen sie abwärts, erstickten ihren Schrei. Etwas rutschte mit ihr zusammen in die Tiefe. Ein Ruf erklang, eine Hand streifte ihre, verschwand. Sie wurde herumgeworfen, prallte schmerzhaft gegen einen Felsen, Schnee schwappte über sie hinweg, trug sie weiter. Verzweifelt kämpfte sie, ohne zu wissen, wo oben und unten war, versuchte, nicht begraben zu werden. Um sie her gab es nur noch Kälte und fahle Schatten, die sie immer weiter mit sich rissen. Jäh schlossen sich Arme um ihre Mitte. Plötzlich war da wieder Licht. Sie schlitterte auf einer Schneewelle abwärts. Das Tal kam immer näher. Ein paar kahle Bäume standen direkt in ihrem Weg. Kreischend klammerte sie sich an Morgwen, der sie fester an sich zog. Der erste Stamm huschte an ihnen vorbei, der zweite. Der dritte und vierte standen zu dicht und beendeten ihre Rutschpartie hart und gnadenlos. Schnee brandete über sie hinweg, floss weiter ins Tal, wo er verebbte. Einen Augenblick rang Cassim schwindelig und schwach nach Atem, ehe es ihr gelang, sich auf einem Ellbogen hochzustemmen. Morgwen lag halb unter ihr, von einer Schicht aus Schnee bedeckt. Seinem seltsam abgehackten Keuchen nach zu urteilen, bekam er keine Luft. Er war verletzt! Panisch scharrte sie das Weiß von ihm – und starrte fassungslos auf ihn hinab, als sie erkannte, dass die Laute, die sie so erschreckt hatten, gar kein Keuchen waren. Sondern Gelächter. Da lag er! Alle viere von sich gestreckt – und lachte, dass er beinah erstickte.
    »Du … Du …« Ihre Finger zerrten an seinem Hemd. In einer Mischung aus Wut und Erleichterung rang sie hilflos nach Worten.
    Er hob den Kopf aus dem Schnee. Eiskristalle glitzerten in
seinem

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