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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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nur ansah. Candover und Desdemona waren seit Jahren gute Bekannte, aber Giles hätte wetten können, daß der Herzog sie noch nie so bewundernd angeblickt hatte wie heute abend.
    Wäre Candover nicht ein so alter Freund der Familie und für seine überglückliche Ehe berühmt, hätte sich Giles versucht gefühlt, ihn zum Pistolenduell im Morgengrauen zu fordern.
    Er lächelte über diese absurde Vorstellung und wandte seine Aufmerksamkeit anderen Gästen zu.
    Es war ein angenehmes, ungezwungenes Zusammensein, bei dem die Gäste mühelos von einer Unterhaltung in die nächste glitten. Maxima Collins paßte sich ihrer Umgebung problemlos an; mit ihrem Witz, ihrem Charme und ihrem Aussehen konnte sie es mit jeder anderen Frau im Raum aufnehmen. Für Robin wäre sie eine ganz ausgezeichnete Frau.
    Nach einer lebhaften Diskussion über freie Schulen mit Lady Aberdare hielt er es für an der Zeit, wieder nach Desdemona Ausschau zu halten.
    Er blickte sich um und stellte fest, daß sie vor den Terrassentüren mit Robin plauderte. Diesmal war es schon schwerer, seine Eifersucht mit einem Lächeln abzutun. Warum mußte sie ihn so fasziniert ansehen? Dumme Frage. Diese Wirkung hatte Robin auf jede und jeden.
    Voller Abscheu darüber, dem eigenen Bruder zu grollen, schlenderte er auf das Paar zu. Während er es tat, schnippte Robin mit den Fingern und förderte ein Maiglöckchen zutage, das er aus einem der Blumenarrangements gestohlen haben mußte. Desdemona nahm die Blume mit entzücktem Lachen entgegen.
    Giles’ Gereiztheit schraubte sich in ungeahnte Höhen, sein Vergnügen an dem Abend schwand dahin. Er verfluchte Robins mühelosen Charme, seine glatte Zunge und sein unsensibles Marmorherz, das ihn in die Lage versetzte, seine Gaben so unverfroren zu nutzen.
    Da sie nicht bemerkte, daß sich Giles ihr näherte, wandte sich Desdemona ab, um ein paar Worte mit Maxima zu sprechen. Statt ihr zu folgen, sagte Giles barsch zu seinem Bruder: »Laß uns ein wenig frische Luft schöpfen.«
    »Wenn du meinst«, erwiderte Robin verdutzt, aber liebenswürdig.
    Robin war stets liebenswürdig, noch so ein irritierender Zug an ihm. Einen erfolglosen Kampf mit seiner Beherrschung kämpfend, trat Giles auf die geräumige Terrasse hinaus. Er hatte keine Ahnung, was er seinem Bruder sagen wollte, aber irgend etwas würde er sagen.
    Die beiden Männer liefen zur Terrassenbrüstung.
    Die berühmten Gärten von Candover House badeten im Mondlicht, aber Giles schenkte ihrer Schönheit keinen einzigen Blick. Robin musterte die grimmige Miene seines Bruders und fragte sich, was vorgefallen sein könnte. Giles war nur selten schlechter Stimmung, und diese wenigen Male hatte Robin stets als sehr verstörend empfunden.
    »Lady ROSS ist ungemein beeindruckend. Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen, als sie mit ihrem Schirm dein Arbeitszimmer gestürmt hat«, sagte Robin in dem Bemühen, die Atmosphäre zu entkrampfen.
    Giles stemmte die Hände auf die
    Terrassenbrüstung und starrte ins Leere. »Das hätte uns allen viele Probleme erspart. Ich habe mich gefragt, was aus dir geworden ist.«
    »Aber du hast dir doch keine Sorgen gemacht, oder?« gab Robin zurück. »Am gleichen Morgen hatte ich dir gesagt, daß ich verschwinden könnte, sobald mir etwas – oder jemand – über den Weg läuft. Vielleicht war das eine Vorahnung.«
    »Das habe ich mir auch in Erinnerung gerufen«, entgegnete Giles mürrisch. »Aber ich hätte mich sehr viel besser gefühlt, wenn du eine Nachricht hinterlassen hättest.«
    »Entschuldige, aber daran habe ich wirklich nicht gedacht.«
    »Natürlich nicht.« Giles’ Hände auf der Terrassenbrüstung verkrampften sich so, daß die Knöchel weiß schimmerten. »Du denkst ja an niemanden – nur an dich selbst.«
    Robin verspannte sich. »Was willst du damit sagen?«
    Giles sah zu ihm herüber. Jede Spur von Blau war aus seinen Augen gewichen und ließ sie grau und hart wie Schiefer wirken. »Hast du in all den Jahren, in denen du den Helden spieltest, auch nur einen einzigen Gedanken an die Menschen verschwendet, die sich Sorgen um dich gemacht haben? Hast du dich jemals gefragt, wie man sich fühlt, wenn man monatelang auf ein Lebenszeichen des einzigen Bruders warten muß und nicht weiß, ob der nicht längst gestorben ist –
    und wenn ja, unter welchen Umständen?« Harte Linien erschienen um seine Augen. »Ich bin sicher, daß dir das gar nicht in den Sinn gekommen ist. Schließlich hattest du ja so viel Wichtigeres

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