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Der Spion und die Lady

Der Spion und die Lady

Titel: Der Spion und die Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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und Aufregenderes zu tun.«
    Robin starrte seinen Bruder an und hatte das Gefühl, daß sich unter ihnen ein ungeheurer Abgrund öffnete. Der Riß war schon immer dagewesen, eine verhängnisvolle Schwachstelle im Fundament ihrer Beziehung, aber beide hatten es vorgezogen, das zu ignorieren. Indem sie nie darüber sprachen, was unter der Oberfläche lag, war es ihnen gelungen, Freunde zu bleiben.

    Aber jetzt, aus welchem Grund auch immer, wollte Giles das Schweigen brechen und sie beide in den Abgrund zerren. Und wenn das geschah, könnte ihre Freundschaft irreparabel und dauerhaft zerbrechen.
    In der verzweifelten Hoffnung, daß Giles bereit war, auf sicheren Boden zurückzukehren, sagte Robin leise: »Vieles von meiner Tätigkeit war mehr als bedenklich, aber ohne jede Spur von Heldentum. Natürlich bestand immer das Risiko, daß mich mein Glück verläßt, aber ich habe stets dafür gesorgt, daß – falls mir etwas zustößt –
    unverzüglich eine Nachricht nach Wolverhampton geschickt wird.«
    »Wie fürsorglich«, entgegnete Giles sarkastisch.
    »Hätte ich das gewußt, hätte ich bestimmt besser schlafen können.«
    Unwillkürlich verspürte Robin das vertraute Prickeln der Rebellion. »Geht es dir vielleicht darum, daß ich es dem Oberhaupt der Familie an Ehrerbietung fehlen lasse? Diese Forderung habe ich schon von Vater kaum ertragen, von dir werde ich es mir nicht bieten lassen.«
    »Ich spreche von Grundregeln menschlichen Anstandes«, entgegnete Giles. »Ständig hast du Nachrichten nach England geschickt, aber für deine Familie hattest du höchstens einen Brief im Jahr übrig.«
    Robins Augen wurden ganz schmal. »Was hätte ich denn mitteilen sollen? Ich habe gelogen, gestohlen und gelegentlich getötet. Wenn ich nicht mit Schurkereien beschäftigt bin, verbringe ich meine Zeit mit einer Frau, die zu klug ist, um mich zu heiraten. Noch lebe ich. Ich hoffe, es geht dir gut und die Ernte steht gut in diesem Jahr.
    Herzliche Grüße, Robert.«
    Giles schoß herum, sein Zorn zeigte sich in jeder Faser seines Körpers. »Willst du damit andeuten, ich sei ein Feigling? Gott ist mein Zeuge, daß ich mich nicht danach gerissen habe, auf Wolverhampton zu bleiben. Ich hätte alles dafür gegeben, der Armee beizutreten, nachdem ich Oxford verlassen hatte.«
    Die irrationale Heftigkeit seiner Reaktion war schockierend. In der Erkenntnis, daß er unabsichtlich eine schmerzliche Wunde bei Giles getroffen hatte, sagte Robin: »Ich weiß gut genug, daß du kein Feigling bist.
    Offengestanden erfordert das Leben unter einem Dach mit Vater mehr Mut, als ich je aufgebracht habe.«
    »Einer mußte die Verantwortung für die Familie ernstnehmen«, grollte Giles unversöhnt, »und das wärst ganz bestimmt nicht du gewesen. Du warst zu beschäftigt, in die Welt zu ziehen und dein Leben aufs Spiel zu setzen.«
    Langsam regte sich auch in Robin Zorn. »Ich hatte keine familiären Verpflichtungen«, entgegnete er scharf. »Mir wurde doch kaum ein Platz am Tisch eingeräumt. Ich war nicht der Lieblingssohn. Ob ich da war oder nicht, hätte auf Wolverhampton nicht das geringste geändert. Ich bin stets davon ausgegangen, daß mein Verschwinden aus England der beste Dienst war, den ich dem edlen Namen Andreville erweisen konnte.«
    »Sei nicht kindisch«, zischte Giles. »Ich war der Erbe, also hat Vater mit mir mehr Zeit verbracht, aber er hat dich durchaus gerecht behandelt. Er zeigte sich sogar sehr großzügig in Anbetracht der Tatsache, daß dein Verhalten selbst die Geduld eines Heiligen auf eine harte Probe gestellt hätte.«
    »Ach ja, unser großzügiger, allzeit gerechter Vater«, erwiderte Robin bitter. »Du warst doch nie da, wenn er nach mir griff und mir ins Gesicht starrte, als könne er sein Unglück nicht glauben, mich zum Sohn zu haben. Zwar hat er nur einmal gesagt, ich sei an ihrem Tod schuld – daß er bei Gott wünsche, sie hätte überlebt und nicht ich, aber es war immer in seinen Augen. Immer!«
    Da war sie endlich, fast mit Händen zu greifen: die schmerzliche Erinnerung an die Frau, deren Tod die Familie zerstört hatte.
    »Das hat Vater zu dir gesagt?« fragte Giles ungläubig.
    »Ja.« Robin funkelte seinen Bruder an, so zornig, daß er das aussprach, was er nicht einmal zu denken gewagt hatte. »Du hast es nie laut gesagt, aber ich wußte immer, daß du genauso empfindest.«
    Drei Herzschläge lang herrschte Schweigen. Dann fragte Giles: »Wie kommst du denn auf diese Idee?«
    »Muß ich dir das

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