Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
aufgehängt war. Mäuse und Ratten huschten an ihnen vorbei.
Sie betraten einen weiteren Tunnel, durch den sie an riesigen Weinfässern vorbei in eine Küche gelangten, und von dort aus nahmen sie einen anderen Tunnel. Dagnarus hatte schon bald die Orientierung verloren, aber Gareth ging unbeirrt weiter. Sie waren jetzt vielleicht fünfzehn Minuten im Tempel, und Shakur begann leider zu erwachen, als Gareth vor einem hohen marmornen Torbogen stehen blieb.
Shakur murmelte etwas und grunzte und hob mitunter den Kopf, um ein unverständliches Wort von sich zu geben.
»Könnt Ihr nicht dafür sorgen, dass er ruhig bleibt?«, flüsterte Gareth.
»Dann müsste ich ihn ersticken«, meinte Dagnarus grimmig. »Hör auf herumzuwackeln, du Mistkerl! Außerdem könnte man mit einer ganzen Armee hier einmarschieren, und niemand würde es hören.«
»Ihr habt wahrscheinlich Recht«, sagte Gareth, dessen Schuldgefühle das geringste Geräusch wie einen Schrei klingen ließen, der selbst die Toten geweckt hätte.
»Wo sind wir?«, fragte Dagnarus und starrte zu dem kunstvollen Torbogen hoch.
»Vor der Halle der Ewigkeit«, erwiderte Gareth leise. »Hier befinden sich die alten Grabmale.«
Dichter, weicher Staub bedeckte den Boden, Spinnennetze hingen von der Decke. Marmorstatuen ruhten auf Sarkophagen. Alle hatten dieselbe Stellung, die Augen geschlossen und die Hände auf der Marmorbrust gefaltet. Alle hatte man in kunstvolle Gewänder gekleidet dargestellt, einige auch mit ebenfalls gemeißelten Schmuckstücken und diversen Kopfbedeckungen, je nach Rang und der Mode der Zeit. Männer und Frauen lagen hier begraben und schliefen ihren Marmorschlaf.
»Vor langer, langer Zeit wurden hier auch die Hohen Magier beigesetzt«, erklärte Gareth leise, während sie an Reihen von Sarkophagen vorbeigingen. »Niemand wird heutzutage mehr hierher gebracht. Es ist nicht mehr modern, nicht, seit sie das große Mausoleum gebaut haben. Niemand kommt mehr hierher, nicht einmal, um sie zu ehren. Es ist eigentlich traurig. Nur wenige wissen, dass es diese Halle überhaupt gibt; nur jene von uns, die in der Leere leben. Der Altar, den wir brauchen, steht damit in Verbindung.«
»Selbstverständlich tut er das«, sagte Dagnarus, und seine überschäumend gute Laune schien ein wenig gedämpft, niedergedrückt von der Gegenwart des Todes. »So muss es sein. Der ideale Ort für das, was wir vorhaben.«
»Genau«, erwiderte Gareth trocken. »Deshalb wurde der Altar auch hier errichtet, in jenen Tagen, als die Magie der Leere noch nicht verpönt war.«
Dagnarus sah die stillen, friedlichen Gestalten an, auf die das Fackellicht fiel. Getrocknete Rosenblüten waren über sie gestreut worden. Der Boden war gefegt, die Spinnennetze weggewischt.
»Jemand hat ihnen Respekt erwiesen«, sagte Dagnarus leise. »Und zwar erst vor kurzer Zeit.«
Gareths bleiches Gesicht wurde ein wenig rosiger. »Das schien mir nur angemessen, Euer Hoheit«, meinte er. »Ich benutze sie, benutze ihre Geister für meine Magie. Ich sollte ihnen im Austausch dafür auch etwas geben.«
»Um sie zu besänftigen?«
»Auch das«, murmelte Gareth. Sie hatten nun die Halle durchquert und eine kleine Eisentür erreicht, die sich am anderen Ende befand.
Diese Tür hatte ein Zauberschloss; Gareth hatte einen Bann darüber gesprochen, den nur er mit den passenden Worten und einem Gegenzauber wieder lösen konnte. Er legte die Hand auf den Türgriff und murmelte leise Worte vor sich hin, während Shakur den Kopf hob und sich mit müden Augen umsah.
»Wo bin ich?«, wollte er wissen.
»In einem Mausoleum«, erwiderte Dagnarus. »Und jetzt kannst du auch alleine stehen. Ich habe genug davon, dich zu tragen.«
»Ein Mausoleum«, meinte Shakur stirnrunzelnd, während er sich weiter umsah. »Komische Arbeit, die in einem Mausoleum erledigt werden muss.«
»Tatsächlich ist es ein hervorragend dazu geeigneter Ort«, entgegnete Dagnarus.
Die Eisentür öffnete sich mit quietschenden Angeln. Faulige Luft drang heraus, was bewirkte, dass Dagnarus die Nase kraus zog und Shakur angewidert schnaubte.
Gareth trat beiseite. »Bitte tretet ein«, sagte er.
Shakur regte sich nicht. Er spähte durch die Tür und versuchte vergeblich, etwas zu erkennen.
»Du hattest zwei Tage lang deinen Spaß«, sagte Dagnarus. »Jetzt ist es an der Zeit zu bezahlen.« Er versetzte Shakur einen Stoß, der ihn in den Raum hinter der Tür fallen ließ.
Dann bückte sich der Prinz nach dem gefesselten
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