Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Wolfram erwartungsvoll an.
»Ich werde mich… äh… verändern«, sagte Wolfram und errötete verlegen. Er wollte nicht, dass Kolost ihn für einen Angeber hielt. »Das gehört dazu, ein Paladin zu sein. Die Rüstung meine ich.«
Wolfram warf Kolost einen schiefen Blick zu und wartete auf Widerspruch. Aber Kolost sagte nichts, sondern bedeutete ihm nur, dass er bereit war. Wolfram war erleichtert. Dieser Zwerg gefiel ihm immer besser.
Er umklammerte das Medaillon fest mit der Hand und erinnerte sich an Gilda in ihrer magischen Rüstung, und im nächsten Augenblick trug er selbst eine: schönes, weiches Leder mit Silberschnallen und einem silbernen Helm.
Kolost riss bei dem Anblick die Augen auf, aber er öffnete den Mund nicht.
Diese wundersame Rüstung war Wolfram so vertraut wie seine eigene Haut und bewirkte, dass er sich sicher und beschützt fühlte. Er wusste sofort, was er tun musste, um den Feuerbann zu sprechen. Die Magie strömte von ihm aus, genau so, wie er es wollte. Er brauchte nur daran zu denken, und schon war es geschehen. Das Holz im Feuerkasten begann zu brennen. Wolfram starrte in die Flammen und richtete seine Gedanken auf die Nacht, in welcher ein anderes Feuer in diesem Kasten gebrannt hatte.
Bilder von unzähligen Nächten drangen ihm in den Kopf – von so vielen, dass es ihn vollkommen überwältigte. Er brauchte etwas, das ihn mit dieser bestimmten Nacht verband. Er streckte die Hand aus und packte eine Ecke der blutigen Pferdedecke.
Feuer wirbelte im Feuerkasten auf, und plötzlich erfüllte dicker, erstickender Qualm das Zelt. Wolfram konnte kaum atmen. Er hörte, wie Kolost keuchte und würgte.
»Weiche!«, befahl Wolfram der Leere.
Der Qualm brodelte. Dann erklang ein Wolfsheulen. Eine Windbö ließ das Zelt beben und die Tuchränder flattern. Der Wind saugte den Qualm aus dem Zelt und trug ihn weg. Wolfram konnte wieder atmen. Er hörte, wie Kolost erleichtert nach Luft schnappte.
Als er wieder in die Flammen schaute, konnte er die Kinder sehen…
Dunners Kinder wechselten sich mit dem Tragen des Steins der Könige ab. Jeden Tag war ein anderes an der Reihe. An diesem Abend war es Fenella. Fenella, ein kränkliches Kind, hatte man wegen ihrer schlechten Gesundheit in Saumel zurückgelassen. Ihre Eltern hatten sich einem Befehl ihres Clanführers gebeugt, welcher behauptete, ein krankes Kind könne den gesamten Clan gefährden. Man hatte Fenella in die Obhut einer älteren Zwergin gegeben, aber diese Frau war vor kurzem gestorben. Das zehnjährige Mädchen war nun ganz auf sich gestellt.
Inzwischen hatte Fenella die Kinderkrankheiten hinter sich gelassen. Sie war so stark und gesund wie jedes andere Zwergenkind. Aber das bedeutete nicht, dass sie zu ihrem Clan zurückkehren konnte. Sie hatte keine Ahnung, wo sie waren, und wahrscheinlich würden sie sie ohnehin nicht zurücknehmen. Fenella übernahm die Korbflechterei der verstorbenen alten Frau, und obwohl die Arbeit schwer war, konnte sie sich damit am Leben erhalten.
Da sie den ganzen Tag Körbe flechten musste, blieben ihr nur die Abende und Nächte, um zum Stein der Könige zu kommen. Aber sie kam jeden Abend. Sie freute sich auf den Tag, an dem man sie rufen würde, Dunners Grab zu suchen, wo sie dann seinen Segen für die Verwandlung erbitten konnte. Fenella wusste, dass das ihr Schicksal war. Dunner selbst hatte es ihr in einem Traum gesagt.
An diesem Abend nahm Fenella den Stein der Könige von seinem Ehrenplatz im Zelt, das eigentlich ein Tempel war, und sah zu, wie er im Feuerlicht funkelte. Jedes Mal, wenn sie den Stein berührte, war sie von ehrfürchtiger Demut erfüllt. Sie fühlte sich, als könnte sie eine gerade Linie von sich selbst zu Dunner und von Dunner zu König Tamaros ziehen. Die zweihundert Jahre, die dazwischen lagen, schienen zu nichts zu schmelzen, wenn sie den Stein trug. Ebenso war es mit den Unterschieden zwischen einem zwergischen Waisenkind und einem Menschenkönig.
Fenella erzählte furchtbar gern Geschichten, und an den Abenden, an welchen sie die Steinträgerin war, unterhielt sie die anderen Kinder mit Geschichten über den Stein und jene, deren Schicksal daran gebunden war. Obwohl die Geschichten schon alt und von Dunner selbst weitergegeben worden waren, hauchte Fenella ihnen neues Leben ein. Die Kinder wurden es nie müde, ihr zuzuhören.
Fenella saß auf der Truhe, die ein Altar war, und machte es sich bequem. Sieben Kinder unterschiedlichen Alters saßen um sie herum. Einer,
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