Der Steinwandler pyramiden2
dann bückte er sich schnell und legte seine Hand auf das schwarze Gesicht.
Ich fröstelte, weil ich mich daran erinnerte, wie er das bei mir gemacht hatte.
Macht schlug in Wellen in Boaz’ Gesicht – die Macht der Eins –, und ich brauchte meinen ganzen Mut, um den Blick nicht von ihm abzuwenden. Man konnte nur zu leicht vergessen, daß Boaz noch immer die Macht der Eins ebenso gut zu nutzen wußte, wie die Magie der Elemente.
Kofte schrie auf, und ich senkte den Blick. Das Gebilde bäumte sich mit aller Kraft unter den Händen jener auf, die es festhielten, dann noch einmal. Und noch einmal.
Und dann verschwamm seine Gestalt.
Boaz brüllte die Soldaten an, und alle wichen vor der Gestalt zurück.
Kofte schmolz buchstäblich dahin. Sein Gesicht zerlief. Er hob die Hand und sie tropfte und fiel dann ganz ab, zerfloß neben ihm zu einer kleinen Pfütze.
Innerhalb von Minuten hatte sich sein ganzer Körper in eine dicke Flüssigkeit aufgelöst, und Boaz befahl, sie zwischen den Felsen zu verteilen. »Sie wird irgendwann verdunsten«, sagte er. »Aber es ist besser, sie wird verteilt, damit sie sich nicht wieder vereinigen kann.«
»Was hast du gemacht?« fragte ich.
»Nzame hat viel von der Macht der Eins benutzt, um eine Verbindung mit Kofte aufrechtzuerhalten. Ich habe diese Verbindung unterbrochen, und sobald es sie nicht mehr gab, gab es auch nicht mehr die Kraft, die das belebte, was von Kofte noch übrig war.«
Er sah sich um. Überall in der Schlucht lagen steinerne Gestalten herum. »Nun, sehen wir mal, was wir mit diesen belebten Felsen machen können. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß sich auch die Steinmänner auflösen, sobald es die Verbindung mit Nzame nicht mehr gibt. Aber Nzame hat bei ihrer Erschaffung eine andere Magie angewandt.«
Boaz wählte einen Steinmann aus, der so fest in einer Felsspalte steckte, daß er die Arme kaum bewegen konnte. Er ging in die Hocke und legte ihm die Hand auf die steinerne Brust. Er runzelte die Stirn, sammelte sich, dann zog er entsetzt die Hand zurück.
»Boaz, was hast du?« Ich war sofort an seiner Seite.
Er holte tief Luft, sammelte sich von neuem, dann umklammerte er meine Hand. »Isphet, geh auf die andere Seite. Bitte. Es besteht keine Gefahr.«
Als das geschehen war, legte Boaz meine Hand auf die Brust des Steinmannes und bedeutete Isphet, dasselbe zu tun. »Fühlt einmal selbst«, sagte er.
»Aber Stein enthält kein Leben…«, fing ich an, dann riß ich meine Hand so schnell weg, wie Boaz es zuvor getan hatte.
Einen Augenblick später schrak Isphet zurück.
»Was ist denn?« fragte Zabrze.
»Stein kann doch keine Lebenskraft enthalten, Zabrze«, sagte Boaz.
»Keiner von uns hat sie je zuvor in Stein gespürt«, fügte Isphet hinzu. »Metall, Edelsteine, ja, aber Stein… nein. Stein ist tot. Oder sollte es sein.«
Ich ließ mich zu Boden sinken, starrte den Steinmann an.
Er trug eine lodernde Lebensquelle in sich. Das Leben eines Menschen. Darin steckte noch immer ein Mensch! Kein Wunder, daß ihre Münder von Verzweiflung kündeten.
»Jetzt weiß ich, wie ich die Steinlocke zurückverwandelt habe«, sagte Boaz leise. »Ich habe die darin enthaltene Lebenskraft benutzt, um sie wieder zu verändern.«
Alles, sogar der Wind, schien um mich herum zu verstummen. »Willst du damit sagen, daß… daß…«
Boaz nahm meine Hand, sah mich flehentlich an. »Tirzah, es tut mir leid… Ich wußte es damals nicht… Ich hatte keine Ahnung…«
»Boaz, was hast du mit dem Steinkörper meines Vaters gemacht?«
»Ich ließ ihn in tausend Stücke zerschlagen, genau wie die anderen zehn Männer, und in den Lhyl werfen.«
Ich senkte den Kopf und kämpfte gegen meine Tränen an.
Hatte mein Vater in dem Stein noch irgendwie gelebt? Waren all diese Männer noch zu retten gewesen?
»Tirzah…«
Ich drückte seine Hand. »Du hast es nicht gewußt, Boaz. Bitte. Wir können nichts mehr tun. Und Druse ist zur Zuflucht im Jenseits verabschiedet worden.«
Boaz war verzweifelt. »Aber hätte ich sie nicht zerschlagen lassen…«
»Nein, Boaz. Es ist vorbei. Zu Ende. Aber diese hier können wir retten.« Ich hob den Kopf und versuchte zu lächeln.
»Zabrze wird sein Volk doch zurückerhalten.«
Boaz riß sich zusammen, aber ich wußte, daß er Zeit brauchen würde, um sich mit dem abzufinden, was er getan hatte. Zeit, um sich selbst zu vergeben.
Wie sehr Nzame gelacht haben mußte, als er es vom Tal aus beobachtet hatte.
»Boaz«, sagte ich
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