Der Steinwandler pyramiden2
Fenstern, und Arme lehnten lässig auf Baikonen, strahlende Augen lachten dem Leben selbst zu.
Jetzt war alles aus Stein. Die Gebäude, die Straßen, das Leben, die Hoffnungen.
Zabrze liefen Tränen die Wangen hinunter. Ich hatte ihn nie zuvor so offen seine Gefühle zeigen gesehen; nicht einmal Neufs Tod hatte ihn so tief berührt. Das war seine Stadt gewesen, sein Zuhause. Jetzt war es eine Gruft.
Und wir ritten stumm wie Trauergäste, die die Toten ehren wollten, durch diese verdammte Stadt.
Es war niemand zu sehen, weder aus Fleisch und Blut noch aus Stein. Keine Hunde, keine Maultiere, keine Menschen.
Die Stadt war leer.
»Hätten sie noch gelebt«, sagte Boaz, »wären sie geflohen. Alle, jeder einzelne.«
»Wohin?« fragte Zabrze mit rauher Stimme. »Wohin?«
»Sie wären dem Fluß gefolgt. Vielleicht nach Norden, nach En-Dor. Mit dieser Stadt haben wir hauptsächlich Handel getrieben.«
»Ein paar Hundert haben es nach Darsis geschafft«, rief Iraldur von seinem Streitwagen herab. »Aber wie Boaz sagte, die meisten wären dem Fluß nach Norden gefolgt.«
Falls sie nicht nach Süden getrieben worden waren, um Nzame als Futter zu dienen. Niemand sagte das laut, aber ich wußte, daß es jeder dachte.
Die Hündin rannte uns voraus und schnüffelte an den Steinen. Sie verharrte in dunklen Hauseingängen, schaute prüfend hinein, dann lief sie weiter.
Wir kamen zum Hauptplatz der Stadt. Hier waren immer noch die Marktstände aufgebaut, versteinerte Markisen beschatteten versteinerte Waren, versteinerte Körbe lagen auf dem Boden herum.
»Es sieht so aus, als wäre der Stein hier durchgerast und hätte alles außer den Menschen erfaßt«, sagte Iraldur. »Seht nur, die Körbe wurden fallen gelassen, als sie zu Stein wurden…«
»Und die Menschen?« fragte Zabrze. »Wo sind sie?«
Iraldur starrte ihn an, dann sprang er von seinem Streitwagen und brüllte seinen Männern Befehle zu, teilte sie in Suchtrupps auf und ließ sie in der Stadt ausschwärmen.
»Zabrze?« fragte Boaz leise. »Waren deine Kinder zu Hause?«
Zabrze nickte heftig mit dem Kopf, dann lenkte er sein Pferd in eine nördliche Allee.
Boaz, Isphet und ich folgten ihm dichtauf, gefolgt von einem Dutzend Soldaten. Einen Augenblick später ergriff Iraldur die Zügel des Pferdes einer seiner Männer und kam hinter uns her.
Zabrze führte uns zu einem von einer Mauer umgebenen Haus, das einst sehr schön gewesen sein mußte. Es war geräumig und vornehm, eine wahre Augenweide, doch es gab nur wenig äußerliche Anzeichen, daß dies tatsächlich die Residenz des Thronerben war.
Die Tore standen weit offen, der Hof war leer. Hinter dem Haus erstreckten sich Gärten – alle aus Stein, leblos. Die Hündin trottete hinein, den Schwanz neugierig erhoben.
Zabrze folgte ihr langsam und schwerfällig. Isphet war an seiner Seite, den Blick mehr auf ihren Gemahl gerichtet als auf das Haus vor ihr.
Iraldur bedeutete seinen Soldaten, einen Ring um das Haus zu bilden, dann gesellte er sich zu Boaz und mir, als wir eintraten. Innen war es kühl, Stein hielt die Sonne noch wirksamer als Ziegel zurück.
Boaz nahm mich bei der Hand, und wir gingen langsam in den ersten der Empfangsräume. Er war leer, und so gingen wir in den nächsten Raum, der noch größer und eindrucksvoller als der vorherige war, und dort wartete das Grauen auf uns, wie ich es mir niemals hätte vorstellen können.
Zabrze stand in der Mitte des Raumes und war völlig erstarrt.
Isphet war auf die Knie gefallen, die Hände vor das Gesicht geschlagen.
Sieben Statuen ragten vor ihnen auf – aber es waren keine Statuen, sondern in Stein verwandelte Menschen.
In Stein verwandelte Kinder.
Sie standen in einer Reihe da, wie in Erwartung möglicher Besucher. Jedes hob die Hand, als wolle es die des Besuchers ergreifen. Die Gesichter, die durch den Vorgang der Versteinerung grobflächiger und dicker geworden waren, waren in ein Willkommenslächeln gezwungen worden – aber dieses gefrorene Lächeln strahlte eine derartige Verzweiflung aus, daß die meisten Besucher bestimmt die Flucht ergriffen hätten, statt zu verweilen.
Und da war noch etwas anderes. Diese Steinkinder waren nicht wie die anderen. Sie waren so sorgfältig, so kunstvoll hingestellt worden.
Als hätte Nzame gewußt, daß Zabrze schließlich zu ihnen zurückkehren würde.
Boaz trat an Zabrzes Seite. »Zabrze. Es gibt noch eine Hoffnung. Laß sie mich berühren… und Tirzah auch. Isphet, du bleibst da.«
Zabrze
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