Der Steinwandler pyramiden2
Isphet noch ich die Kraft haben würden, uns zurückzuziehen.
Isphet ergriff meine Hand und drückte sie sanft. »Hätte ich gewußt, daß du so viel Ärger bedeutest, hätte ich Ta’uz in der Nacht, in der er dich zu mir gebracht hat, die Tür vor der Nase zugeschlagen.«
»Hätte ich gewußt, daß du so übellaunig bist, hätte ich die Speere der Wächter in Kauf genommen, um vor dir zu fliehen.«
Beide versuchten wir zu lächeln, aber es gelang uns nicht.
Dann legten wir der Statue die Hände auf die Schultern.
Ich glaube, jeder der im Raum Anwesenden beugte sich leicht vor, wie um uns davon abzuhalten.
Wir verstärkten den Druck unserer Hände, spürten die Gegenwart der anderen, zogen Kraft und Mut daraus und suchten nach der Energie in der Statue.
Wir fanden sie sofort und zuckten zurück.
Hinter uns schrie Boaz auf und wollte nach vorn stürzen.
Iraldur, der sich bis zuletzt in der Gewalt hatte, packte ihn und hielt ihn fest.
Das sah ich durch einen Vorhang aus Schmerz. Der Schmerz und das Elend des im Stein gefangenen Mädchens.
Helft mir! So helft mir doch!
Isphet schluchzte, und ich glaube, ich auch. Wir griffen mit aller Kraft zu, die uns zur Verfügung stand, und zogen das Mädchen durch den monströsen Vorhang der Magie, der es gefangenhielt.
Die Verwandlung geschah schlagartig. Plötzlich war da ein Leib und kein Stein unter unseren Händen – und es war ein gesunder Leib, fest und kühl. Sie brach mit einem kläglichen Wimmern in unseren Armen zusammen, und ich…
… schrie auf, als die restlichen Statuen explodierten. Das Mädchen, Isphet und ich wurden zu Boden geschleudert, bluteten aus Dutzenden winziger Schnitte, die uns durch die Luft fliegende Steinsplitter beigebracht hatten.
Ich verlor einen Augenblick lang das Bewußtsein, dann zogen mich Hände hoch. Der dicke Staub, der den Raum füllte, ließ mich würgen und husten.
Die Hündin kläffte, und ich konnte die anderen ebenfalls husten und nach Luft schnappen hören. Man zerrte mich aus der Staubwolke und dann endlich aus dem Haus in das gesegnet heiße, klare Sonnenlicht hinaus.
Ich hustete noch immer, wenn auch nicht mehr so arg, und jemand spritzte mir Wasser ins Gesicht.
Ich schlug die Augen auf. Boaz hielt mich im Arm, sein Gesicht war grau von Staub, seine Augen waren gerötet.
Neben uns hatte Zabrze die Arme um das Mädchen und Isphet gelegt.
Mir wurde bewußt, daß jeder weinte.
Ihr Name war Layla, und sie war achtzehn und die älteste Tochter von Zabrze und Neuf.
Das Furchtbare der Geschichte, die sie uns erzählte, sollte uns viele Nächte lang nicht schlafen lassen.
An diesem Abend saßen wir auf Setkoths Hauptplatz; vor uns flackerte ein kleines Feuer, die Hündin hatte sich auf Laylas Schoß zusammengerollt, und Layla schmiegte sich in die Arme ihres Vaters. Zabrze konnte sie nicht gehen lassen; Isphet und ich hatten versucht, sie zur Seite zu nehmen und ihr wenigstens Gesicht und Hände zu waschen, aber Zabrze war so hartnäckig gewesen, daß ihr Gesicht und ihre Wangen noch immer staubig waren.
Das Haus hatte Zabrze zerstören lassen. Es bestand jetzt nur noch aus Trümmern, die über den Trümmern der Leichen seiner Kinder lagen.
»Wir hatten von den Schwierigkeiten mit der Pyramide gehört«, sagte Layla leise. »Wir hatten gehört, daß es am Einweihungstag zu einem Amoklauf gekommen war. Und wir hatten Angst. Aber wir wußten nicht, was wir tun sollten. Wir warteten darauf, daß Vater und Mutter nach Hause kommen würden…«
Zabrze zuckte zusammen und schloß die Augen.
»… aber die Diener meinten, wir hätten nichts zu befürchten.
Daß wir die Söhne und Töchter von Prinz Zabrze seien und niemand wagen würde, uns etwas zuleide zu tun. Sie meinten, es sei besser, zu Hause zu bleiben, im Haus zu bleiben; dies sei besser als mit den Tausenden nach Norden zu fliehen, die die Flußschiffe genommen hatten.«
Sie hielt mit gesenktem Blick inne, streichelte den Hund.
Unter dem ganzen Staub und dem Schrecken der Erinnerung war zu erkennen, daß sie sehr hübsch sein mußte.
»Also taten wir das. Eines Tages kam der Stein. Er… knirschte durch die Stadt. Ich war mit Orphrat und Joelen oben auf dem Balkon, und wir konnten sehen, wie er in einer riesigen Welle aus dem Süden herannahte. Er wogte auf uns zu, ein Meer aus Stein, und wir hatten Angst, aber wir waren wie erstarrt vor Furcht. Und dann verwandelte sich alles um uns herum in Stein. Wir blieben lebendig, aber das Geländer unter
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