Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
Vom Netzwerk:
schien zur Hälfte verflogen. Die zweite Hälfte bekämpfte er mit einer weiteren Tasse Kaffee, lehnte sich auf der Couch zurück, erklärte:
    »Vielleicht sollte ich ihm einfach sagen, was wir in Erfahrung gebracht haben, und ihn bitten, seinen Kram zu packen, am besten gleich. Er hat sich ja ohnehin nur provisorisch hier eingerichtet. Da wird er ja nicht soviel zu packen haben. Was hältst du davon?« Bevor ich ihm antworten konnte, meinte er nachdenklich:
    »Das stört mich so an der Sache. Warum hat er die Wohnung nicht gekündigt? Er muß doch wissen, daß er sich das gar nicht leisten kann, an zwei Stellen die Miete zu bezahlen. Er bewirbt sich um die Wohnung hier, gleich nachdem die Vermißtenmeldung bekanntgegeben wurde. Und dann zieht er ausgerechnet an dem Montag hier ein, an dem die Polizei anfängt, Fragen zu stellen. Aber wenn er selbst etwas auf dem Kerbholz hat, hätte er doch versucht, so schnell wie möglich und völlig von der Bildfläche zu verschwinden. Oder wollte er erst sehen, wie sich die Lage entwickelt?« Wieder so ein Blick, als erwarte er von mir eine Antwort. Dann ein Schulterzucken.
    »Seine Aussage hat den Studenten erheblich belastet. Gut, nicht nur seine; was seine Nachbarn vorgebracht haben, hätte auch schon gereicht. Aber er war letzte Woche Montag noch mal im Präsidium, hat seine erste Aussage wiederholt und um ein paar Details ergänzt. Frag mich nicht, um welche Details, so genau wird die Presse nun auch nicht informiert.« Günther lächelte geistesabwesend, sprach weiter, fast wie zu sich selbst:
    »Der Student hat übrigens inzwischen zugegeben, daß das Kind zuletzt an dem bewußten Donnerstag bei ihm in der Wohnung war. Angeblich nur für eine halbe Stunde, zwischen fünf und halb sechs. Es hätte ihm die ganze Zeit von seinem Großvater erzählt. Und es hätte ihn zweimal gefragt, ob wirklich nichts dabei sei, wenn ein Großvater ein Kind badet. Es hätte auf ihn einen sehr erleichterten Eindruck gemacht, als er geantwortet hätte, es sei überhaupt nichts dabei, es sei völlig normal. Irgendwie merkwürdig, ich meine, wie kommt der Knabe auf die Idee, plötzlich einen Großvater ins Spiel zu bringen? Er wußte genau, daß das Kind gar keinen Kontakt mehr zu seinen Großeltern hatte. Da wären ein paar Mathematikaufgaben doch glaubhafter gewesen, finde ich.«
    »Woher weißt du das? Wenn die Presse doch nicht genau informiert wird?«
    »Dettov hat es von einem Kripomann gehört. Er träumt ja immer noch von seinem großen Artikel. Jetzt spielt er mit dem Gedanken an ein Exklusivinterview. Aber solange der Student nicht gesteht, wird wohl nichts daraus.«
    »Und wenn er gesteht?« Günther hob die Achseln, schaute mich nachdenklich an.
    »Warum sollte er? Sie können beweisen, daß das Kind in seiner Wohnung war. Und sie können beweisen, daß es von einem Mann mißbraucht wurde, der die Blutgruppe A hat. Die hat er, aber die habe ich auch. Und ich möchte nicht wissen, wie viele andere sie noch haben. Sie haben in dem Garten so gut wie nichts an Spuren sicherstellen können. Es hat ja häufig geregnet in der Woche. In der Laube selbst war es auch nicht so üppig. An der Kleidung des Kindes haben sie ein paar Kopfhaare sichergestellt. Die sind nicht von dem Studenten. Die können theoretisch von jedem sein, der mal in der Straßenbahn neben dem Kind gesessen hat. Es hat den Pullover mindestens drei Tage hintereinander getragen. Was der Student braucht, ist nur ein guter Anwalt.«
    »Und Herr Genardy«, fragte ich,»du meinst, er hat auch die Polizei belogen?«
    »Kann er sich eigentlich nicht leisten«, meinte Günther.
    »Seine Aussage deckte sich wohl auch mit der Aussage der Nachbarn.«
    Herr Genardy kam nicht um fünf, und um sechs war er auch noch nicht da. Günther wunderte sich und lästerte ein wenig darüber.
    »Der wird ja wohl nicht auch einen sechsten Sinn haben oder hellsehen können.« Ich glaubte eher, daß Herr Genardy den leeren Haken neben seiner Tür bemerkt hatte. Aber hätte er in dem Fall nicht die verräterischen Fotos und Nicoles Höschen verschwinden lassen? Vielleicht kam er einfach deshalb nicht, weil er wußte, daß ich völlig umsonst auf der Bank gewesen war. Es gab einige Möglichkeiten. Nicole kam wie üblich um sieben heim. Günther blieb bis kurz nach acht, wartete auf Hans Werner Dettov, der sich jedoch ebenfalls nicht blicken ließ. Günther wirkte besorgt, richtig beunruhigt. Mehrfach murmelte er vor sich hin, daß ihm das alles gar

Weitere Kostenlose Bücher