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Der stille Herr Genardy

Der stille Herr Genardy

Titel: Der stille Herr Genardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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länger mit den Spielereien begnügen konnte. Mit dem Mädchen vor dem Schaufenster mußte es zwangsläufig anders sein. Das sagte ihm sein Verstand jedesmal, wenn er sich länger mit der Vorstellung beschäftigte. Das Kind war nicht zurückgeblieben, es war garantiert schon eingeweiht; in den Schulen begannen sie heutzutage so früh damit. Und da war noch mehr zu bedenken. Die Nachbarn im Haus, Passanten auf der Straße, Kunden der Tierhandlung. Mehr als genug Leute, die zufällig einmal Zeuge werden konnten, wenn er sich vor der Haustür mit dem Kind unterhielt. Und das wäre der erste Schritt gewesen. Auch wenn er sich das nicht eingestehen wollte, er dachte unentwegt darüber nach, wie er vorgehen könnte, es unbemerkt ins Haus zu bringen, hinauf in seine Wohnung. Wie er es dazu veranlassen konnte, nicht laut zu sprechen, damit die Nachbarin nichts von diesem Besuch bemerkte. Und wie er bestimmte Regeln mit ihm vereinbarte, damit es ihn häufiger besuchen konnte.Bei Franz habe ich mich vom ersten Augenblick an wohl gefühlt. Er lud mich ein. Und die Art, wie er das tat, ließ erst gar nicht die Vermutung aufkommen, daß er irgendwelche Hintergedanken haben könnte. Wir fuhren zuerst in eine Eisdiele, dann noch in eine Diskothek. Wir tanzten ein paarmal. Ich konnte nicht tanzen, aber Franz war geduldig. Nicht einmal hat er mich ausgelacht. Abends brachte er mich mit seinem Wagen heim. Pünktlich um neun ließ er mich vor unserem Haus aussteigen. Er machte nicht einmal den Versuch, mich zu küssen. Meine Mutter hatte vom Fenster aus gesehen, daß ich heimgebracht worden war. Sie empfing mich gleich bei der Tür mit einem Haufen Fragen. Wer war das und so weiter. Ich sagte, was ich wußte: seinen Namen, wie alt er war, daß er von Beruf Fliesenleger war und sehr gut verdiente. Das hatte er mir erzählt, als ich mein Eis selbst bezahlen wollte. Ich dachte, Mutter würde toben oder mir zumindest verbieten, ihn wiederzusehen. Aber seltsamerweise hatte sie nichts dagegen, im Gegenteil. Sie schien irgendwie erleichtert und nickte augenblicklich, als ich fragte, ob ich mich am nächsten Sonntag wieder mit ihm treffen dürfe. Franz sagte später:
    »Für deine Mutter bist du ein Buch mit sieben Siegeln. Du hast was an dir, Siggi. Ich weiß nicht genau, was es ist, und mich stört es auch nicht. Aber sie wird damit nicht fertig.« Franz konnte immer alles erklären. Und außer meinem Vater war er der einzige, der mich Siggi nannte. Ich mochte das. Es gab mir das Gefühl, daß ich noch viel Zeit hatte mit dem Erwachsenwerden. Drei Wochen nach meinem achtzehnten Geburtstag haben wir geheiratet.
    »Der schönste Tag in meinem Leben.« Das war er tatsächlich, obwohl ich ein bißchen Angst hatte. Nicht vor dem Leben mit Franz, nur vor der Hochzeitsnacht. Meine Mutter hatte mir in den Wochen davor so oft gepredigt, ich solle mir nur nicht einbilden, es sei so schön, wie es immer in den Zeitungen geschrieben wäre. Es sei fürchterlich, sie selbst habe damals entsetzliche Schmerzen gehabt. Und sie sei auch später immer froh gewesen, wenn mein Vater sie nicht zu oft belästigt habe. Und Hedwig erzählte mir jeden Montag, wie toll es mit ihrem Freund war. Das einzige, was sie dabei störte, war die enge Rückbank im Auto. Irgendwie glaubte ich Hedwig damals mehr als meiner Mutter. Ich hatte nicht Angst vor Schmerzen. Nur Angst, daß ich Franz gar nicht gefallen würde, daß ich mich zu dumm anstellte. Ich hatte doch keine Ahnung, was ich tun mußte, damit es wirklich schön für ihn wurde. Bis dahin hatte Franz noch nicht einmal mit mir geschlafen. Obwohl er nun wirklich alt genug dafür war und wir uns schon zwei Jahre kannten. Er hatte mich auch nicht angefaßt, war nie mit der Hand unter meinen Pullover gegangen, hatte mir nie den Rock hochgeschoben, geschweige denn das Höschen ausgezogen. Einmal, das weiß ich noch genau, da fuhren wir sonntags noch spazieren, ehe er mich heimbrachte. Da fuhr er dann ein Stück in den Wald hinein, stellte den Motor ab, drehte sich zu mir. Ich dachte schon, jetzt kommt es. Aber er wollte nur ein bißchen reden. Ich rutschte auf dem Sitz hin und her, rutschte so lange, bis mein Rock sich von selbst in die Höhe schob. Franz zog ihn mir wieder über die Knie, lächelte und meinte:
    »Das heben wir uns für später auf, Siggi.« Hedwig erzählte mir immer, was sie mit ihrem Freund gemacht hatte, fragte dann auch, wie es bei mir gewesen wäre, und sie glaubte mir nie.
    »Entweder du lügst«,

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