Der Südstern oder Das Land der Diamanten
Sclave gewesen wäre.
Solcher Art waren die groben Vergnügungen des Lagerlebens. Sie nahmen jedoch zuweilen auch einen noch ernsteren Charakter an. Wenn es zum Beispiel vorkam, daß ein in der Mine beschäftigter Neger eines Diamantendiebstahles beschuldigt wurde, so hielten es gleich Alle für ihre Pflicht, ihn zum Richter zu begleiten, und ließen es schon im Voraus an gehörigen Faustschlägen nicht fehlen
Wurde der Angeklagte dann auch völlig freigesprochen, so hatte er wenigstens seine Tracht Prügel weg. Uebrigens erfolgten in solchen Fällen Freisprechungen nur sehr selten Der Richter war mit einem verdammenden Urtheile meist schneller fertig als er ein Orangenviertel mit Salz – ein Lieblingsgericht des Landes – hätte aufessen können. Das Urtheil lautete gewöhnlich auf vierzehn Tage Zwangsarbeit und zwanzig Hiebe mit der
cat of nine tails
, »der neunschwänzigen Katze«, einer Art Geißel mit Knoten in Riemen, deren man sich noch in Großbritannien und den englischen Besitzungen bedient, um die Gefangenen auszupeitschen.
Es gab auch noch ein anderes Verbrechen, welches die Diamantengräber noch weniger zu vergeben geneigt waren, als den Diebstahl – die Hehlerei.
Ward, der Yankee, der zu gleicher Zeit mit dem jungen Ingenieur nach dem Griqualande gekommen war, machte darin eines Tages eine traurige Erfahrung, weil er von einem Kaffern Diamanten gekauft hatte. Ein Kaffer darf nach gesetzlicher Vorschrift überhaupt keine Diamanten besitzen, denn es ist ihm verboten, diese in einem Claim zu kaufen, oder gar einen solchen auf eigene Rechnung auszubeuten.
Kaum war die Thatsache bekannt geworden – es war des Abends und zur Stunde, wo gewöhnlich das ganze Lager in Aufruhr ist – als sich schon eine wüthende Menge nach der Cantine des Schuldigen wälzte, hier Alles durcheinander warf und sie dann anzündete; jedenfalls wäre der Yankee an den Galgen geknüpft worden, den schon einige dienstwillige Leute aufrichteten, als zu seinem Glücke ein Dutzend berittene Policemen dazu kamen, die ihn dadurch retteten, daß sie ihn in’s Gefängniß abführten.
Inmitten dieser gemischten, jähzornigen und halbwilden Gesellschaft gehörten natürlich gewaltthätige Auftritte nicht zu den Seltenheiten. Hier vermengten sich alle Racen zur buntscheckigen, lärmenden Versammlung. Hier trugen der Durst nach Gold, der Einfluß eines ausdörrenden Klimas, sowie Enttäuschungen und Ekel an der Arbeit dazu bei, die Köpfe zu erhitzen und die Gewissen zu erweitern. Hätten alle die Leute in ihren Erdlöchern Erfolge erzielt, so hätten sie sich vielleicht ruhiger und duldsamer benommen. Aber auf Einen, welchem es in langen Zwischenräumen glückte, einen Stein von großem Werthe zu finden, gab es wohl Hunderte, welche nur mühsam ihr Leben fristeten und kaum so viel gewannen, um die nöthigsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen, wenn sie nicht gar in das größte Elend geriethen. Die Mine glich eben einem grünen Tische, auf dem man aber nicht allein sein Geld, sondern auch seine Zeit, seine Arbeit und die Gesundheit auf eine Karte setzte. – Die Anzahl glücklicher Spieler, denen der Zufall die Haue bei der Ausbeutung ihrer Claims in der Vandergaart-Kopje führte, war von jeher eine beschränkte.
Cyprien sah das Tag für Tag mehr und er legte sich die Frage vor, ob er ein so wenig ergiebiges Geschäft noch fortsetzen solle oder nicht, als ein Zufall zu einer Aenderung seiner Arbeitsmethode führte.
Eines Morgens traf er von ungefähr auf eine Gesellschaft von etwa einem Dutzend Kaffern, die nach dem Lager gekommen waren, um hier Beschäftigung zu suchen. Die Armen stammten aus dem Bergdistricte, der das eigentliche Kaffernland von dem Lande der Basutos trennt. Sie hatten längs des Oranjeflusses in endlosem Gänsemarsche über hundertfünfzig Lieues zu Fuß zurückgelegt und dabei von dem gezehrt, was sie unterwegs finden konnten, das heißt von Wurzeln, Beeren und Heuschrecken. Jetzt erschienen sie ungeheuer mager und glichen eher Skeletten als lebenden Wesen. Mit ihren abgezehrten Beinen, dem langen, nackten Oberkörper mit lederbrauner Haut, die ein leeres Gerippe zu umschließen schien, mit vorspringenden Hüften und den hohlen Wangen, sahen sie mehr aus, als lüsterte es sie nach einem Beefsteak von Menschenfleisch, als danach, schwere Arbeit zu leisten. Niemand schien auch geneigt dazu, sie anzuwerben, und so hockten sie beisammen an der Seite des Weges, ohne zu wissen, was sie in ihrem Elend beginnen
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