Der sueße Kuss der Luege
auffällig, aber mit einigem Glück wirke ich damit wie eine amerikanische Rucksacktouristin.
Andrea werkelt während dieser Vorbereitungen in der Küche. Sie macht für alle Schnittchen und kocht frischen Kaffee.
Nachdem das Verhör von Frau Rolfs vorbei war, ist sie mit rot geweinten Augen auf mich zugestürzt und hat mich zum ersten Mal in zwei Jahren umarmt. Auch sie findet keine Worte für das, was passiert ist, aber ich sehe ihr an, welche Vorwürfe sie mir insgeheim macht, selbst wenn sie sie nicht laut ausspricht.
Während die Beamten hastig im Stehen essen, warten wir darauf, dass sich der Kidnapper wieder meldet. Minute um Minute verrinnt, aber die Telefone bleiben still, bis plötzlich Sebastians Handy klingelt und wir alle erschrocken zusammenfahren. Automatisch nimmt er ab, bevor sein Handy verkabelt werden kann. Aber immerhin stellt er dann sofort auf laut und wieder ist diese mechanische Stimme zu hören.
»Um achtzehn Uhr am Haupteingang vom Hauptbahnhof. Wenn ich auch nur einen einzigen Bullen sehe, stirbt das Kind. Wenn die Scheine mit Sender oder einer Farbbombe markiert wurden, stirbt das Kind. Wenn nicht die komplette Summe in den Peli-Koffern ist, stirbt das Kind.«
Alle starren Sebastian an, der ganz weiß im Gesicht geworden ist. Ich glaube, bis gerade eben hat er immer noch nicht begriffen, wie ernst das Ganze ist.
»Er beobachtet uns!« Ich bin furchtbar aufgeregt. »Er weiß, dass Sebastian bei uns ist.«
Kriminaldirektorin Rolfs nickt. »Ja, sieht so aus. Allerdings wissen wir nicht, ob er von Anfang geplant hat, Ihren Bruder anzurufen. Vergessen Sie nicht, dass wir es offenbar mit Profis zu tun haben, denen ist nur zu klar, dass hier überall Fangschaltungen installiert sind.«
Nach Rücksprache mit Hinze und dem SEK bestellen sie eine Sondereinheit, die am Bahnhof eine mobile Baustelle einrichten wird, von der aus ich beobachtet werden kann, auch wenn die Rolfs ganz sicher ist, dass der Bahnhof nur die erste Station von vielen ist. »Wasserfeste gelbe Plastikkoffer, wahrscheinlich lotst er sie zum Hafen«, vermutet Hinze und die Rolfs stimmt ihm zu. »Jedenfalls in Wassernähe.« Sie telefoniert mit der Wasserschutzpolizei und erklärt, dass es unter Umständen zu einer Lösegeldübergabe im Bereich des Mains kommen könnte. Dann ordert sie einen Hubschrauber, der den Main im Stadtgebiet kontrollieren soll.
An meiner Jacke wird ein winziger Sender befestigt, der dem Einsatzkommando verrät, wo ich gerade bin, für den Fall, dass sie mich aus den Augen verlieren. Was aber, wie mir Simone Rolfs versichert, nicht passieren wird.
»Aber damit halten wir uns nicht an seine Anweisungen!« Mein Bruder klingt ganz verzweifelt. »Kein Sender, das hat er gesagt.«
»Das sagen sie immer«, erklärt ihm die Rolfs geduldig, »und das Geld ist ja auch ohne Sender. Aber er kann unmöglich jede zivile Person am Bahnhof kontrollieren. Selbstverständlich werden wir Ihre Schwester nicht eine Sekunde allein lassen. Mindestens fünf Beamte werden ihr zu Fuß folgen, weitere per Auto. Und Ihre Schwester wird selbst nicht wissen, wer ein Polizist ist und wer einfach nur Zivilist. Zu ihrer eigenen Sicherheit.«
Ich bekomme eine kugelsichere Weste, einen Knopf ins Ohr und mein Handy einen Kopfhörer. Alles wird mit den Geräten der Beamten abgestimmt, damit sie jedes Wort hören können, das der Entführer sagt. Kriminalhauptkommissar Hinze überlegt noch einmal, das Geld doch mit Farbbomben zu markieren, aber Simone Rolfs lehnt das ab. Idas Leben zu schützen, sei die oberste Priorität, und das gelte auch für die gesamte Übergabe. Niemand, und das wiederholt sie mehrfach, niemand dürfe ohne ihr Kommando handeln. Alle unüberlegten Spontanhandlungen würden lediglich das Leben der Gei… sie korrigiert sich sofort, das Leben Idas aufs Spiel setzen.
Die Bambusprinzessin schläft ein
Der Oni hatte sie nicht gefressen, aber er hatte sie versteckt. Hier drin in diesem stillen, dunklen Loch, in dem es stickig und heiß war wie im Badehaus ihres Opas. Aber dort roch es nach Minze und grünem Tee, nicht nach Staub und Erde.
Böse vor sich hin schimpfend hatte der Oni sie gesäubert und dann hier hineingeschafft. Aber sie hatte ihre Ohren vor ihm verschlossen und ihn nicht gehört. Bevor er gegangen war, hatte er ihr Emil zugeworfen und ihr einen Fetzen Stoff in den Mund gestopft, sodass sie nicht sprechen konnte, nicht einmal mehr flüstern. Jetzt konnte sie die Worte nur noch denken. Aber das
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