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Der sueße Kuss der Luege

Der sueße Kuss der Luege

Titel: Der sueße Kuss der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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stimmt es ja. Und mir wird noch elender, als mir klar wird, dass Andrea diese ganze ebay-Sache und den Flohmarkt nur deshalb macht, um zwei Pflegerinnen bezahlen zu können… Und ich habe mit ihr über Tüll und Rüschen gesprochen!
    Sie gießt mir Kaffee nach und schaut mir prüfend ins Gesicht.
    »Aber jeder muss doch mal über sein Privatleben sprechen? Seine Sorgen loswerden«, stammele ich hilflos.
    Sie zieht die Augenbrauen hoch. »Ach, ja? Ich war immer schon eher verschwiegen, und das sollte man als Chefsekretärin in einer Bank auch sein.« Sie lächelt versonnen. »Weißt du, vor vierundzwanzig Jahren war ich auch noch sehr romantisch, so wie du und Diego. Damals war ich sehr verliebt in Rainers Vater, Holger Schubert, der mein Chef bei der Money-Bank war, die damals noch die Landbau-Bank war.«
    Ich starre sie an.
    Sie lacht auf. »Ich war nicht immer eine dumme Putze oder was hast du geglaubt?« Sie presst ihren Mund zusammen. »Holger konnte mich nicht entbehren, nicht beruflich und auch nicht privat. Er ist natürlich auch der Vater von Rainer.«
    Ich bin völlig irritiert. Andrea Reimann war mit Christians Vorgänger zusammen? Aber warum rückt sie gerade jetzt damit heraus, nachdem sie zu Recht gefragt hat, was es denn ändern würde? Und warum schaut sie mich dauernd so merkwürdig an?
    »Holger wusste mich zu schätzen, ja, das wusste er. Er hat immer gesagt, ohne mich wäre seine Karriere überhaupt nicht möglich gewesen. Und er hat auch für Rainer die finanzielle Verantwortung übernommen, jedenfalls bis er vor zehn Jahren an diesem Schlaganfall gestorben ist. Aber es war klar, dass Rainer nie offiziell sein Sohn sein durfte, deshalb hat er auch nichts geerbt. Das hätte ich natürlich anfechten können, wollte ich Rainer aber nicht antun.« Jetzt sucht sie meinen Blick und zum ersten Mal bemerke ich, dass sie veilchenblaue Augen hat. Sie sieht geradezu glücklich aus.
    »Falls du mal ein Kind haben solltest, wirst du verstehen, was ich meine. Du hast Ida auch schon sehr lieb und die ist ja bloß deine Nichte.«
    Sie hat keine Ahnung, nur meine Nichte .
    Ihre Worte schwirren mir im Kopf herum. Rainer, ihr Sohn. Holger, der Vater. Unentbehrlich. Mir ist ein bisschen schwindelig und ich bin auf einmal so dermaßen müde. Ich greife zu meiner Tasse, ich muss noch mehr Kaffee trinken, um wach zu bleiben. Oder lieber nach Hause ins Bett? Ich kann mich nicht mehr entscheiden.
    Andrea redet mittlerweile wie ein Wasserfall. »Ich habe ihn nach Rainer Maria Rilke genannt. Den kennst du bestimmt aus der Schule.« Sie nimmt die Kanne in die Hand und gießt mir noch heißen Kaffee auf den lauwarmen in der Tasse. Dann reicht sie mir wieder die Platte mit dem Streuselkuchen.
    Ich erinnere mich vage an ein Herbstgedicht. »›Herr, es ist Zeit‹, das ist von Rilke, oder?«
    Andrea lächelt. »Ja, das Herbstgedicht. ›Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben‹…« Sie wechselt unvermutet das Thema und klingt so streng, als ob sie Ida ausschimpfen würde. »Warum bist eigentlich wirklich hier?«
    »Wollte dir erzählen, wo wir Ida gefunden haben.« Es kommt mir so vor, als würde ich lallen, aber das kann ja wohl nicht sein, ich habe doch nichts getrunken.
    »Das ist nett von dir, aber es interessiert mich nicht mehr, denn ich habe gekündigt.« Das klingt geradezu triumphierend.
    »Wie?« Warum wollte sie dann, dass ich komme, wenn sie mit unserer Familie nichts mehr zu tun haben will?
    »Hast du wegen der Entführung gekündigt?«
    »Ich bin zu alt. Ich schaffe das alles nicht mehr, außerdem brauche ich mehr Zeit für meinen Sohn.«
    »Das verstehe ich, aber wie willst du das bezahlen? Hast du einen anderen Job?« Meine Zunge klebt an meinem Gaumen, als ob ich seit Tagen nichts getrunken hätte, und es fällt mir schwer, die Worte zu artikulieren.
    »Es war nicht gerade förderlich, als ich vor zwei Jahren durch deinen Bruder meine Arbeit verloren habe.« Ihre Stimme überschlägt sich fast. »Mit fünfundfünfzig stellt dich doch niemand mehr ein.«
    »Aber du hast, soweit ich gehört habe, eine hohe Abfindung bekommen.«
    »Die ich der Obhut deines Bruders anvertraut habe, und der Idiot hat es in der sogenannten Bankenkrise verpulvert!«
    »Aber Yukiko hat dir doch genau deshalb die Arbeit…«
    Sie lacht höhnisch. »Oh ja, nach dreiundzwanzig Jahren als Chefsekretärin des Geschäftsführers bietet mir die milde Samariterin diesen Traumjob: Babysitter für ein verwöhntes Prinzesschen, das alles

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