Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Täuscher

Der Täuscher

Titel: Der Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
einem Monat hatte Miguel erschrocken festgestellt, dass der Kontoauszug zehntausend Dollar mehr auswies, als es eigentlich sein dürften. Aber als er daraufhin die Bankfiliale aufsuchte, um den Fehler korrigieren zu lassen, stimmte alles wieder. Und das war mittlerweile schon dreimal passiert. Eine der fälschlich erfolgten Buchungen hatte siebzigtausend Dollar betragen.
    Das war noch nicht alles. Vor kurzem hatte eine Firma ihn wegen seines beantragten Immobilienkredits angerufen. Dabei hatte er gar keinen Kredit beantragt. Er wohnte zur Miete. Seine Frau und er hatten gehofft, etwas kaufen zu können, aber seit sie und sein kleiner Sohn bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren, hatte er es nicht übers Herz gebracht, an ein Eigenheim zu denken.
    Besorgt hatte er seine Kreditdaten überprüft, aber es wurde kein beantragtes Immobiliendarlehen aufgeführt. Alles sah normal aus, bis auf die Tatsache, dass sein Rating sich gebessert hatte - und zwar beträchtlich. Das allein war schon seltsam.
    Obwohl er gegen diesen speziellen Irrtum natürlich keinen Einwand erhob.
    Aber nichts von alldem beunruhigte ihn so sehr wie dieses Faltblatt.
    Lieber Mr. Abrera,
    wie Sie wissen, müssen wir al e in unserem Leben traumatische Erfahrungen durchmachen und große Verluste verkraften.
    186
    Es ist verständlich, dass die Menschen es in solchen Momenten schwierig finden, ihr Leben weiterzuführen. Manchmal beschleicht sie sogar der Gedanke, die Last sei zu groß, und sie erwägen, unreflektierte und verhängnisvol e Maßnahmen zu ergreifen.
    Wir vom Beratungsdienst für Hinterbliebene kennen die großen Herausforderungen, denen Menschen wie Sie sich stellen müssen, nachdem sie einen so schmerzhaften Verlust erlitten haben. Unser ausgebildetes Personal kann Ihnen durch die problematische Zeit helfen. Wir bieten Ihnen eine Kombination aus medizinischer Behandlung und Einzel- sowie Gruppensit-zungen, damit Sie wieder Zuversicht gewinnen und erkennen, wie lebenswert das Leben ist.
    Doch Miguel Abrera hatte noch nie an Selbstmord gedacht, nicht einmal in den schlimmsten Stunden kurz nach dem Unfall vor achtzehn Monaten; sich das eigene Leben zu nehmen, war für ihn unvorstellbar.
    Dass er dieses Faltblatt bekommen hatte, war schon bedenklich genug. Aber zwei Aspekte der Situation machten ihm wirklich zu schaffen. Zunächst mal war die Broschüre direkt an seine neue Adresse geschickt und nicht von der alten an ihn weitergeleitet worden. Dabei wussten seine Therapeuten nicht, dass er vor einem Monat umgezogen war. Und die Leute aus dem Krankenhaus, in dem seine Frau und sein Kind gestorben waren, hatten ebenfalls keine Ahnung davon.
    Das Zweite war der letzte Absatz: Da Sie nun den wichtigen ersten Schritt getan und sich an uns gewandt haben, Miguel, würden wir mit Ihnen gern ein kostenloses Beratungsgespräch vereinbaren. Bitten teilen Sie uns Ihren Terminwunsch mit. Und zögern Sie nicht. Wir können helfen!
    Er hatte sich aber nicht an diesen Beratungsdienst gewandt.
    Woher kannten die seinen Namen?
    Na ja, vermutlich handelte es sich bloß um einen merkwürdigen Zufall. Er würde sich später darum kümmern müssen. Es war höchste Zeit, zurück an die Arbeit zu gehen.
    Andrew Sterling war der netteste und rücksichtsvollste Chef, den man sich nur wün 186

    schen konnte. Aber Miguel zweifelte nicht daran, dass das Gerücht stimmte: Sterling überprüfte höchstpersönlich den Stundenzettel eines jeden Angestellten.
    Ron Pulaski war allein in dem Konferenzraum von SSD und schaute auf das Display seines Mobiltelefons, während er hektisch umherlief - in einem Gitternetzmuster, fiel ihm irgendwann auf; fast als würde er einen Tatort untersuchen. Aber er bekam einfach keinen Empfang, genau wie Jeremy prophezeit hatte. Er würde das Festnetztelefon benutzen müssen. Wurde es überwacht?
    Plötzlich begriff er, dass er ein ernstes Risiko einging, auch wenn er Lincoln Rhyme versprochen hatte, ihm hierbei zu helfen. Er könnte verlieren, was ihm nach seiner Familie im Leben am wichtigsten war: die Anstellung als Polizist des NYPD. Er dachte daran, wie einflussreich Andrew Sterling war. Wenn der Mann es geschafft hatte, das Leben eines Reporters von einer der großen Tageszeitungen zu ruinieren, würde ein junger Streifenbeamter nicht den Hauch einer Chance gegen ihn haben. Falls man ihn erwischte, würde man ihn festnehmen. Seine Laufbahn wäre vorbei. Was sollte er seinem Bruder sagen, was seinen Eltern?
    Er war wütend auf

Weitere Kostenlose Bücher