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Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie

Titel: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei.: Eine deutsche Tragödie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raufeisen
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sich vielleicht schon mal früher überlegen sollen!
    „Ich habe die Hoffnung, dass, trotz allem, was vorher geschehen ist, man uns und besonders Dir, lieber Thomas, die notwendige Hilfe nicht versagen wird.“
    Wer sollte „man“ sein? „Man“ hatte uns eingesperrt! Das waren alles Durchhalteparolen, die mich nicht trösten können!
    „Nun habe ich eine dringende Bitte an Dich, lieber Thomas. Ich bitte Dich dringend, alles, aber auch wirklich alles offenzulegen, was Dir bekannt ist. Ich bin zu der festen Überzeugung gekommen, dass mit dem Zurückhalten von der Wahrheit mir nicht zu helfen ist. Aber Du kannst Dir selbst und Mama damit den größten Dienst erweisen. Sei bitte nicht so erschrocken darüber. Ich schreibe dies wirklich aus freien Stücken und unbeeinflusst. Es gibt keinen Grund für Dich, an meinen Worten zu zweifeln!“
    Wahrscheinlich hatte er recht, aber hatte er dies wirklich nicht unter Druck geschrieben? Zweifel blieben. Zweifel, die genügend Zeit hatten, sich in mir festzusetzen. Wenn ich keine Vernehmung hatte, blieben meinen Zweifeln gut 17 Stunden pro Tag, an mir zu nagen.
    Es war schwierig, in den Briefen etwas halbwegs Vernünftiges zu schreiben. Vier Briefe im Monat waren erlaubt, je eine DIN A4-Seite. Das klingt erst einmal nicht viel. Mir war das viel zu viel! Und es wurde mit den Monaten immer schwieriger für mich, diese Seite zu füllen. Es war verboten, etwas über die Haft zu schreiben und auch über unsere „Straftaten“. Da bleibt nicht viel übrig. Die Themen waren eingegrenzt auf Durchhalteparolen, Gesundheit, Arzt, Treffen und Bücher, die wir zu lesen bekamen. Wie lange würde ich meine Eltern wohl nicht mehr wiedersehen?
    Am 16. Oktober 1981 begingen (feiern kann man das wahrlich nicht nennen) sie ihre Silberne Hochzeit. Aus diesem Anlass konnten die beiden sich das erste Mal in Haft wiedersehen, natürlich im Vernehmerzimmer und nur im trauten Kreis ihrer Vernehmer. Ich durfte ihnen immerhin eine Glückwunschkarte schicken, die mir mein Vernehmer väterlich in die Hand gedrückt hatte. Kurz darauf durfte ich meine Mutter einmal allein treffen.
    Mitte November dann sah ich meine Eltern zusammen. Sie hatten sich extrem verändert. Die letzten grauen Haare von beiden waren weiß geworden. Sie trugen genauso wie ich schlabbrige blaue Trainingsanzüge. Darin wirkt jeder wie ein Penner. Meinem Vater merkte man seine vielen gesundheitlichen Probleme an, er sah sehr schlecht aus, war nervös. Trotzdem versuchte er, Optimismus auszustrahlen. Es gelang ihm nicht. Es war fürchterlich, trotzdem es gut tat, sich endlich wieder zu sehen. Eine halbe Stunde dauerte das Wiedersehen, in der wir Rouladen und Rotkohl aßen, die für uns skurrilerweise auf dem Tisch standen, und Banalitäten austauschten. Eine halbe Stunde, dann war ich wieder allein. Noch erfüllt von dem Treffen mit meinen Eltern, aber dadurch auch noch einsamer als zuvor.
    Viele von diesen Treffen sollte es aber nicht geben. Die Geburtstage, vor Weihnachten, Ostern – das war’s. Vier Mal sah ich beide in einem Jahr, meine Mutter einmal mehr.
    Anfang Dezember 1981 erhielt ich Besuch von meinem Anwalt – das erste Mal nach einem viertel Jahr im Knast! Dafür wurde ich mit dem Barkas B1000 wieder in die „Magdalenenstraße“ gefahren. Vor dem Treffen mit Dieter Starkulla vom Anwaltsbüro Wolfgang Vogel erhielt ich eine interessante Anweisung des Vernehmers. Ich durfte mit meinem Anwalt nicht über „zur Sache Gehöriges“ sprechen! Es war kafkaesk! Mein Anwalt darf nichts über den Grund erfahren, dessentwegen ich ihm mein Mandat übertragen habe!?
    Das Gespräch blieb dann auch sehr kurz. Starkulla wollte sich nur vorstellen. „Werden Sie korrekt behandelt? Brauchen Sie Geld? Soll ich jemanden in Ihrem Namen benachrichtigen?“ Das war alles. Höchstens 10 Minuten dauerte dieser Besuch. So sah also die Anwaltsarbeit hier aus. Es war aber trotzdem wichtig, gerade das Anwaltsbüro Vogel zu beauftragen, in der Hoffnung, auf eine Liste für einen Häftlingsfreikauf gesetzt zu werden. Details über den Fall erhielt der Anwalt wohl nur direkt vor der Gerichtsverhandlung. Wie sollte er mich und meine Interessen da vertreten? Die Staatsanwaltschaft wollte mir „Landesverräterische Agententätigkeit“ und „versuchte Republikflucht“ nachweisen – und ich wollte darauf aufmerksam machen, dass ich vor über zwei Jahren verschleppt und seitdem rechtswidrig festgehalten wurde!

Das richtige Leben im

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