Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Der Tag der Messer: Roman (German Edition)

Titel: Der Tag der Messer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
Vom Netzwerk:
Fei«, sagte Darnamur. »Ich bin durchaus bereit, das Kästchen in fähigere Hände zu geben. Frafa kümmert sich darum. Sie ist eine Schülerin von Aldungan und die Nichte unserer alten Freundin Daugrula.«
    »Und warum steht es um das Land dann schlechter als zu Zeiten der Fei? Hast du nicht fünfzigtausend Menschen fortgeschickt, weil die Stadt sie nicht mehr ernähren kann?«
    »Frafa ist unerfahren«, sagte Darnamur. »Sie lenkt nur einen Bruchteil der Kraft, die in dem Kästchen ruht. Aber ebendeshalb kann sie sich auch nicht über den Rat erheben und die Herrschaft an sich reißen.«
    »Und das nennst du Vertrauen?«, fragte Wito.
    Darnamur lachte auf. »Nein!«, rief er. »Das nenne ich Vorsicht! Wenn einer allein das Kästchen vollständig kontrolliert und damit die Alleinherrschaft erringt, schadet das dem Gemeinwohl ebenso, als wenn wir es gar nicht gebrauchten.«
    »Wären wir nur ernsthaft bereit, die Macht zu teilen, würden wir womöglich jemanden finden, der auch dazu bereit ist.«
    »Die Macht des Kästchens lässt sich nicht teilen«, wandte Darnamur ein. »Der stärkste Zauberer, der eine Verbindung dazu aufbauen kann, kontrolliert es. Und niemand könnte ihn kontrollieren. Wem in der Stadt würdest du die absolute Macht anvertrauen wollen? Wer würde sich freiwillig den anderen Mitgliedern einer Regierung unterordnen? Und wer würde niemals der Versuchung erliegen, allein zu entscheiden, selbst dann nicht, wenn er überzeugt wäre, dass er recht hat und die anderen irren? Denn auch eine Tyrannei aus gutem Willen wäre eine Tyrannei.«
    Wito schaute Darnamur lange an. Er rutschte ein wenig auf seinem Stuhl herum, während Darnamur aufgeregt um den Schreibtisch herumlief. »Bleidan«, sagte Wito schließlich. »Er ist auch ein Schüler von Aldungan, und er ist stark genug, um das Kästchen zu beherrschen. Er ist ein Mitbegründer der Fortschrittsfreunde . Seine Ideale schließen eine Tyrannei aus.«
    »Ha!« Triumphierend hob Darnamur den Zeigefinger in die Höhe. »Und doch wurde ebendieser Bleidan letztens vom Rat verurteilt und hingerichtet. Weil er versucht hat, das Kästchen an sich zu bringen und am Rat vorbei die Macht zu ergreifen!«
    Wito fuhr hoch. »Aber das hat er doch nur getan, weil …!« Er verstummte und seufzte wieder. »Vielleicht hast du recht«, sagte er dann. »Vielleicht hast du recht.«
    »Natürlich habe ich recht«, sagte Darnamur. »Man kann hier niemandem trauen, Wito. Willkommen zurück in der Wirklichkeit. Lass uns jetzt ernsthafte Pläne schmieden!«
    Am Rande von Daugazburg, zwischen dem Mondviertel und dem Abendviertel und unweit der verwüsteten Vorstadt, stand ein hoher Turm. Er hatte zu einem alten Kastell gehört, das schon längst von der Stadt verschlungen worden war. Die Spitze des Turms war geborsten, das Dach eingestürzt. Rußgeschwärzte Trümmer kragten am Rand über das Mauerwerk.
    Jetzt, mit dem Frühling, erwachte das Leben aus dem Schutt. Grün rankte sich über die halb verbrannten Balken. Bäume trieben unnatürlich schnell aus. Orchideen und dichtes Buschwerk fanden Halt zwischen den Mauersteinen. Ein Urwald zierte die Turmspitze, als hätte er die Wälle seines Kerkers gesprengt.
    Frafa trat aus den Überresten des Treppenaufgangs und stand in einem undurchdringlichen Dickicht.
    »Meister Aldungan?«, rief sie halblaut.
    Sogleich stand der Meister neben ihr, als hätte der Geist des Waldes Gestalt angenommen. Er trug sein schweres blaues Gewand, das in makellosen Falten bis zum Boden fiel. Nichts deutete darauf hin, dass der Alb, der es trug, schon seit Tagen ohne ein Dach über dem Kopf in einem Urwald hauste.
    »Frafa«, sagte er.
    Seitdem sie nach Daugazburg zurückgekehrt waren, sah sie Aldungan selten. Zu den Mahlzeiten kam er hin und wieder nach unten. Frafa störte ihn nur, wenn sie es nicht länger aushalten konnte. Aber Aldungan hatte ihr verboten, den Turm zu verlassen, und so war sie auf die Nahrung angewiesen, die sie in Aldungans Dachgarten ernten konnte.
    Den Rest der Zeit verbrachte sie in Bleidans ehemaligem Arbeitsraum. Sie beschäftigte sich mit den Tieren, studierte ein wenig. Oft saß sie nur da und dachte nach.
    Der Meister blickte auf sie hinab. Frafa hob den Korb. Aldungan lächelte.
    »Ist es wieder so weit?«, fragte er. »Wenn ich dich so ansehe, könnte ich fast glauben, du wärest der grobstofflichen Speise entwachsen.«
    »Ich habe mich … mit Magie am Leben gehalten. Aber … irgendwelche Albenzauberer im Rat haben

Weitere Kostenlose Bücher