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Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)

Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition)

Titel: Der Tag ist dein Freund, die Nacht dein Feind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Münster
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dem Gedanken daran musste sie beinahe würgen. Außerdem fürchtete sie sich sehr vor den Erinnerungen, die in dem Haus auf sie einstürmen würden. Doch die Aussicht, auf dem Highgate Friedhof herum zu irren, war beinahe noch schlimmer. Friedhöfe hatten seit jeher Angst einflößend auf Emily gewirkt, und sich dieser uralten Stätte des Todes nähern zu müssen jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Trotzdem blieb zu hoffen, dass sie der Besuch dort weniger lang in Anspruch nehmen würde als die Besichtigung des Cottage . Daher entschied sie sich, als sie den Teller Suppe aufgegessen hatte, zuerst dort nach dem nächsten Puzzleteil der Schnitzeljagd zu suchen. Sie wollte den gruseligeren Teil des Ganzen hinter sich haben.
    Eineinhalb Stunden später kam Emily schließlich beim Highgate an , nachdem sie sich mehrmals verfahren hatte . Nach Jahren der Abwesenheit war es nicht so leicht, sich in der Metropole London zurecht zu finden und als sie es schließlich geschafft hatte, wollte man ihr zunächst zwingend eine Führung über den Friedhof ans Herz legen, die sie eindringlich und mehrere Male ablehnen musste, bevor der Friedhofsverwalter sich erklären ließ, dass er ihr lediglich die Nummer und Lage der Familiengruft der Watsons mitteilen sollte. Da ihr weder die Nummer etwas sagte noch der Lageplan dazu geeignet schien, sie ohne Probleme durch das Labyrinth der Gräber, Skulpturen und Mausoleen zu führen, erklärte der Friedhofsverwalter sich schließlich widerwillig bereit, ihr das Grab persönlich zu zeigen.
    Immerhin hatte es aufgehört zu regnen, so dass Emily sich den Friedhof ansehen konnte, ohne unter einem Regenschirm hervor lugen zu müssen. Hier und da machte sie Orientierungspunkte aus, anhand derer sie später auf eigene Faust erst wieder hinaus, aber zu einem späteren Zeitpunkt auch selbst wieder zur Gruft zurückfinden wollte.
    Ihr Blick fiel unter anderem auf das Grab von Karl Marx, das unübersehbar war mit der gewaltigen Bronzebüste und der Inschrift auf dem Sockel: ‚ Workers of all Lands unite .’
    Eine plötzliche Frage tauchte in Emilys Kopf auf. „Wie ist es möglich, dass wir hier eine Familiengruft haben, die jetzt wieder benutzt wird? Der Friedhof scheint doch mehr eine Art Museum zu sein und die Gräber alle uralt. Ich wusste nicht, dass er noch… aktiv benutzt wird.“
    „Es ist selten er geworden, das stimmt. Aber die Gruft, nach der Sie suchen, ist ja auch schon sehr alt. Wussten Sie das nicht? Sie ist seit Generationen im Besitz Ihrer Familie, und seit Generationen wurde für ihren Erhalt bezahlt. Dass Ihre Mutter nun dort bestattet werden will, ist vollkommen legitim.“
    Emily sah den knorrigen Friedhofsverwalter überrascht an. „Sie meinen… es ist eins von den alten Gräbern, im westlichen Teil der Anlage?“
    Der Mann nickte und bog dann auch schon ab in jenen Teil, der zu Gruselgeschichten und Alpträumen inspirierte und schon oft als Kulisse von Horrorfilmen gedient hatte . Emily lief ein Schauer über den Rücken. Bei Sonnenschein mochte dieser Teil des Friedhofs verwunschen und märchenhaft aussehen, doch der Himmel war dick mit Wolken verhangen, von den Bäumen und Gr absteinen tropfte der Regen, und die Erde war aufgeweicht und gab schmatzende Geräusche von sich, wenn man darüber lief. Außerdem konnte es nicht mehr allzu lange dauern, bis die Abenddämmerung einsetzte.
    Sie passierten ein riesiges Mausoleum, dessen dunkler, von mächtigen Säulen gesäumter Eingang Emily bedrohlich entgegen gähnte, und liefen unter einer alten Zeder entlang, die einen mit ihrem enormen Gewicht zu erdrücken drohte. Einmal mehr hatte die junge Frau das Gefühl, sich in einem Alptraum zu befinden, aus dem es kein Erwachen gab. Sie wünschte sich sehnlich st in ihre New Yorker Wohnung zurück, in das echte Leben , i n dem sie Schüler unterrichtete, die sich manchmal in sie verliebten, in dem sie mit ihren Freundinnen Cocktails trank und italienisches Essen genoss und abends gemütlich in ihrer freundlichen Wohnung an neuen Kriminalromanen feilte, die jedoch nichts mit dem Schrecken eines Ortes wie dem Highgate Cemetary zu tun hatten.
    Als sie die Gruft der Watsons endlich erreicht hatten, war Emily mit den Nerven bereits ziemlich am Ende .
    „Ich geh dann mal, Miss. Wenn eine Führung durchkommt, sagen Sie denen, ich hab Sie her gebracht. Sie finden den Weg zurück schon. Es sind auch Schilder angebracht, sehen Sie?“
    Der Friedhofsverwalter deutete auf ein

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