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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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zu, wenn sie Vorträge über geopolitische Fragen halten, die er mit ein paar Anmerkungen ergänzt, er macht Witzchen, über die alle lachen, oder er sieht den Jungen über die Schulter, wenn sie Aufsätze schreiben oder Mathematikaufgaben lösen. Oft legt er eine väterliche Hand auf diese zarten, schönen Schultern, oder in den Nacken, lässt sie dort ruhen, wobei seine Finger ein wenig den kurz geschorenen Flaum des Haaransatzes streicheln, oder er tätschelt bei den Jüngeren die Wange, so wie er Julius’ Wange berührt haben mag, als er ihn mit den anderen Neuankömmlingen begrüßt. Zu manchen der Jungen, hört man, hat er ein besonderes Verhältnis, er lässt sie häufig zu sich kommen. Wenn es einen Jungen zu bestrafen gilt, überlässt Goerlitz es den Fachlehrern, Maßregelungen oder Schläge auszuführen.
    Oh grande Mussolini, Heil der Faschistico,
    wir fraßen Maccaroni am Titimagico
    bis dass der Bauch zerplatzte
    vor lauter Fressico
    oh du Italia
    oh du Italia.
    Hitler kam nie zu Besuch, verlangte nie irgendwelche Rechenschaftsberichte, er schickte nur manchmal ein paar hohe Tiere, wie den spanischen Außenminister oder den italienischen Kulturattaché zur Besichtigung » unserer kleinen Elite«, und hin und wieder orderte er eine » Fuhre tüchtiger und gut aussehender Jungs« nach München, um bei hohen Besuchen im Spalier ganz vorn zu stehen und gut auszusehen, wie bei Mussolini etwa, oder um bei wohltätigen Konzerten, bei denen die Fähigkeiten der deutschen Jugend vorgeführt werden sollten, mit ihrer Blaskapelle, ihrem Chor oder ihrer Akkordeongruppe aufzutreten. Denn neben dem Sport, der die erste Disziplin an dieser Schule war – Der gesunde Körper ist das edelste Gefäß eines gesunden Geistes – und gleichbedeutend mit der allgemeinen Charakterbildung, stand die Musik an allererster Stelle.
    Während des Werkunterrichts wurden Arbeiterlieder gesungen, während des Marschierens deutsche Volkslieder, in den höheren Klassen anspruchsvolle Kunstlieder und im Chor Werke von Händel oder Bach. Es gab einen Spielmannszug mit Fanfaren und Trommeln. Zu jeder Gelegenheit wurde ein Konzert zusammengestellt, es gab regelmäßige Aufführungen und » bunte Nachmittage mit Musik« für die Feldafinger Dorfbewohner, und auch nach Tutzing fuhr man, um bei Feiern und Festen einen musikalischen Beitrag zu leisten. Manchmal luden die älteren Schüler eine Mädchenklasse aus München zum Tanztee ins Kasino der Schule ein. Opern- und Konzertbesuche in München waren fester Bestandteil des Unterrichtsplans. Beethoven, Schubert, Bruckner, Hugo Wolf, Max Reger und selbstverständlich Wagner. Hitler selbst hatte vorgegeben, dass an der deutschen Musik das nordische Wesen sich am innigsten ausdrücke, am tiefgreifendsten erfasse sie das Gemüt und setze den Menschen in Bewegung, vor allem, wenn es sich um einfache, klare, ganz auf das Gefühl gerichtete Musik handle, bloß nichts Gekünsteltes.
    Julius entschied sich für das Klavier. Er liebte die schwarz-weißen Tasten, und er liebte ihren Klang.
    Schon nach den ersten Wochen sollte Julius einen Höhepunkt im gesellschaftlich-musikalischen Leben der Schule erleben. Das Konzert zum 60. Geburtstag der Pianistin Elly Ney, am letzten Sonntag im September.
    » Elly Ney?«, fragt Julius.
    » Det is die größte Pianistin von unserem Deutschen Reich«, sagt Paul, ein kleiner Berliner mit roten Haaren und Sommersprossen, mit dem Julius sich angefreundet hat.
    » Also, dass de det nich weeßt, det wundert mir. Meen Opa sacht ümmer, det ist die Reichsklaviermutter, aber det darfste um Hümmels willen hier nich sagen, da krichste aber hoppla!«
    Julius nickt. Er hat längst verstanden, dass man hier einige Dinge nicht mit jedem besprechen kann. Pauls Großvater ist Schmied, sein Vater ebenso, und Paul hat erzählt, dass der Großvater es lieber gesehen hätte, wenn er nicht auf die Schule gekommen wäre. Aber die Ausbildung kriegt er nirgends sonst, hatte sein Vater gesagt.
    » Wir halten ihr ein Ständchen. Det ham wa letztes Jahr ooch jemacht.«
    » Du sollst doch nicht so berlinern«, sagt Werner, einer der Klassensprecher, der gerade an den beiden Jungen vorbeiläuft. » Wenn das der Hermann hört!« Herr Hermann, der Deutschlehrer, hielt die Jungen im Unterricht zu einem verständlichen Hochdeutsch an und hörte es gar nicht gern, wenn sie in ihrer Freizeit reden, wie euch der Schnabel gewachsen ist.
    » Jedenfalls«, fährt Paul fort, » jedenfalls waren wir

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