Der Tanz des Maori (epub)
strahlte Brandon sie an und legte gleichzeitig den nächsten Mikrofiche in das Lesegerät. Leise murmelte er Sina zu: »Für irgendetwas muss mein legendärer Charme gut sein, oder? Aber ich fürchte, die âºWestport Newsâ¹ hat Ava Denson nach dem groÃen Skandal vergessen ⦠Oder das Problem hat sich auf andere Weise gelöst.«
Noch während er redete, entdeckte Sina eine kleine Meldung, die in der Randspalte versteckt war. Sie deutete darauf. »Schau mal, da taucht Ava wieder auf!«
Vandalismus in Seddonville
Vorgestern Nacht haben Unbekannte mit Steinen die Fenster des Denson-Hauses in Seddonville eingeworfen. Der Schaden beläuft sich auf achtzig Dollar. Hausbesitzerin Ava Denson verzichtete darauf, Anzeige zu erstatten. Passanten vermuteten gegenüber dieser Zeitung, dass Angehörige der verunglückten Arbeiter von Matakite Rache üben wollten. »Das kann man ja auch verstehen â immerhin lebt die Denson-Witwe in Saus und Braus, während andere Familien ihren Ernährer verloren haben.«
Wortlos lehnte Brandon sich zurück. Er scrollte noch ein paar Tage weiter, aber dann schaltete er das Gerät aus. Mit einem leisen Flackern erlosch die Lampe, und das Surren verstummte. Erst jetzt merkte Sina, wie sehr ihr die Augen brannten. AuÃerdem hatte sie Hunger. Sie stand auf, streckte sich und hörte fast, wie ihr Rücken knackte.
»Lass uns essen gehen«, schlug sie vor. »Dann können wir auch über diese Artikel reden. Vergiss aber nicht, dich von deinem Fan da drauÃen am Eingang zu verabschieden.«
Brandon nickte zustimmend. Er winkte der Frau lässig zu â und nur wenige Minuten später fanden sie sich in einer kleinen Pizzeria an der HauptstraÃe von Westport wieder. Sina fiel über das warme Kräuterbrot her, das der aufmerksame Kellner ihnen zusammen mit einer groÃen Karaffe Wasser und zwei Gläsern Wein gebracht hatte. Endlich fand sie ihre Worte wieder. »Was dieser Angus MacLagan gemacht hat, ist doch einfach nur widerlich! Und wenn ich mir diese Vandalismus-Sache ansehe, dann ist er mit seinem Lügengebilde auch noch durchgekommen! Die Leute haben ihrer Zeitung auf jeden Fall geglaubt.«
Brandon nahm einen groÃen Bissen von dem Brot â offensichtlich hatte er ebenso viel Hunger wie sie. »Wenn ich das richtig verstehe, dann hat Ava sich nicht gewehrt. So hat sie ihm überhaupt erst freie Bahn gewährt. Auf die Maori-Arbeiter hat man damals ganz sicher nicht gehört. Das heiÃt, es war egal, was Anaru und seine Freunde von MacLagan erzählt haben. Was ich mich aber jetzt frage â¦Â« Er biss noch einmal von dem Brot ab und kaute nachdenklich darauf herum. »Was wurde dann aus Ava? Ich habe in dem Telefonbuch von Seddonville und Westport nachgesehen: Es gibt keine Densons. Oder MacLagans. Ist sie an die Ostküste gezogen? Aber irgendwo muss es dann doch heute noch einen Angus MacLagan geben â er ist Jahrgang 1934, also ist er heute einundsechzig Jahre alt. Wo steckt er nur?«
Sina nickte. »Der zweite Teil der Frage ist ebenso spannend. Was wurde aus Angus? Er hat doch seinen guten Namen behalten, er hätte eine weitere Mine haben können â¦Â«
»Es hilft nichts«, erklärte Brandon. »Wir kommen auf eigene Faust nicht weiter. Ruiha muss uns sagen, was sich damals abgespielt hat. Sie weià wahrscheinlich auch, was aus allen Beteiligten geworden ist.«
Sina stürzte sich auf die Pizza, die in diesem Moment zwischen sie gestellt wurde. »Okay. Aber wir beide müssen morgen zurück an die Arbeit, schon vergessen? Es werden ein paar Wochen, wenn nicht sogar Monate vergehen, bis wir wieder hierher zurückkommen können. Und dann müssen wir darauf hoffen, dass Ruiha doch noch das Ende der Geschichte erzählen will. Ich mache mir wirklich Sorgen um sie. Sie sah gestern völlig erschöpft aus, als sie uns alles erzählt hatte.«
»Stimmt«, gab Brandon ihr Recht. »Du musst es aber trotzdem so sehen: Diese Geschichte hat jahrzehntelang niemanden interessiert, da stört es doch nicht, wenn sie jetzt noch ein paar Monate länger im Dunkeln bleibt. Ich verspreche dir: Wenn wir das nächste Mal gemeinsam Zeit haben, besuchen wir Ruiha sofort wieder. Ich bin schlieÃlich nur ein paar Wochen auf See, und du brauchst auch die Zeit, um dich in der Klinik einzugewöhnen â¦Â«
Missmutig zog Sina eine Grimasse.
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