Der tanzende Tod
entschlossen hatte, meine Beine unten zu halten, indem er sich darauf ausstreckte. »Einen schönen, dicken. Ich möchte nicht, dass der Junge mehr Schrammen bekommt als nötig.«
»Er wird aber sehr schmutzig werden, Sir.«
»Dann verschmutzt er eben; wir können jederzeit einen neuen kaufen. Ich werde meiner Schwester sagen, sie möge sich morgen darum kümmern. London hat Unmengen von Läden; Sie und die beiden anderen können gemeinsam einen aussuchen. Braucht er sonst noch etwas – Kleidung, Möbel, diese Art von Dingen?«
»Spielzeug!«, brüllte Richard, während er mir einen Schuh auszog und ihn, Sohle gegen Sohle, mit dem anderen verglich.
»Er ist gut versorgt mit allem, was er braucht, Sir. Er hat sogar mehr als genug, glaube ich.«
Die Möbelstücke aus dem Kinderzimmer in Edmonds Hause waren in einem Karren hergebracht und in diese Räume gestellt worden. Schon für mich hatte es einen großen Trennungsschmerz bedeutet, aus der Heimat meiner Kindheit nach London umzuziehen, und ich war immerhin erwachsen und darauf vorbereitet gewesen. Ich hatte gehofft, dass der plötzliche Wechsel für Richard durch die Anwesenheit seiner vertrauten Dinge ein wenig gemildert würde. Es musste gewirkt haben, denn er machte durchaus einen unbekümmerten Eindruck.
»Nun, Sie werden uns doch ganz sicher auch ihre kleinsten Bedürfnisse mitteilen, nicht wahr? Und die großen selbstverständlich ebenfalls. Wenn Sie irgendwelche Schwierigkeiten haben, dann kommen Sie schnurstracks zu irgendeinem von uns, damit wir sie beheben können.«
»Ja, Sir.«
»Der eine ist größer als der andere«, bemerkte Richard über meine Schuhe. Er sah mich an, um meine Reaktion festzustellen. »Der eine ist größer als der andere.«
»So ist es«, stimmte ich zu, indem ich mich auf die Ellbogen stützte, um besser zu sehen. »Den Bruchteil eines Zentimeters. Ich werde ein Wörtchen mit meinem Schuster zu reden haben.«
»Was ist ein Bruchteil?«
»Ein kleiner Teil von etwas, normalerweise ein sehr kleiner Teil.«
»Ein kleiner Teil wovon?«
»Von was auch immer dir beliebt.«
Nun verglich er meinen Schuh mit einem der seinen. »Er ist den Bruchteil eines Zentimeters größer«, teilte er mir mit.
»So ist es, viele Bruchteile von Inches größer. Ich werde dir den richtigen Umgang mit den Maßeinheiten beibringen, wenn du möchtest.«
»Ja, bitte.«
»Nanny, haben wir einen Messstab im Hause?«
»Ich bin mir nicht sicher, Sir.«
»Sind Sie dann vielleicht so freundlich, Jericho zu bitten, mir einen zu besorgen. Er weiß normalerweise, wo sich alles befindet.«
»Aber, Sir, was Richards Schlaf betrifft –«
»Oh, zum Kuckuck, ich glaube, es muss sein. Ich sage Ihnen etwas: Sorgen Sie dafür, dass Jericho mir einen Messstab bringt, und Sie besorgen die heiße Milch mit Honig. Ich werde Richard eine Lektion über die Maßeinheiten erteilen. Mit ein wenig Glück wird diese Kombination ihn in den Schlaf lullen. Das hat bei mir stets geholfen.«
Sie sog in dem Versuch, nicht zu lächeln, ihre Unterlippe ein und huschte hinaus. Einen Augenblick später erschien Jericho im Flur. Er trug den angeforderten Messstab und einen schmerzlichen Gesichtsausdruck, als er den Zustand meiner Kleidung erblickte.
»Guten Abend, Jericho. Im Moment muss das allnächtliche Waschen und Bürsten noch warten.«
»Ich glaube, dies ist umso besser, Mr. Jonathan. Hätten Sie bereits zuvor die Zeit dafür aufgebracht, wäre alles umsonst gewesen.«
Richard kicherte. »Jericho.«
»Und wenn schon?«, fragte ich. »Er heißt so.« Ich erhielt ein weiteres Kichern als Antwort.
»Ich glaube, Master Richard bezieht sich auf die unglückselige Gewohnheit der Londoner, den Abort als ›Jericho‹ zu bezeichnen, Sir«, meinte mein guter Freund, ohne seinen Widerwillen zu unterdrücken.
Ein weiteres Kichern kam von unten.
Nun, dem musste ich ein Ende bereiten. »Richard«, sagte ich, indem ich mich ganz aufsetzte und den Knaben in ernstem Tonfall ansprach. Es waren ein oder zwei Wiederholungen vonnöten, bevor er sich weit genug beruhigt hatte, um mir die Art von ernsthafter Aufmerksamkeit zu widmen, welche der Anlass verlangte.
»Sich über den Namen eines Menschen lustig zu machen, ganz egal, wie er lautet, ist sehr unhöflich und gehört sich für einen Herrn überhaupt nicht. Verstehst du das?«
Er warf die Lippen auf und nickte.
»Sehr gut. Nun möchte ich, dass du versprichst, dich niemals wieder über den Namen eines anderen Menschen lustig
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