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Der tanzende Tod

Der tanzende Tod

Titel: Der tanzende Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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bewussten Momente zu genießen versuchen.
    Dies war keine schwierige Aufgabe.
    Außer einem seltenen Ballonfahrer würde niemand sonst diesen Ausblick je genießen können; ich gehörte zu einer winzigen Gruppe von Menschen und musste mir dieses Privilegs bewusster und dafür dankbar sein. Ein Kartograph, der seine Karte zeichnete, verfügte vielleicht über einen ebenso faszinierenden Blick, auch wenn all dies in seiner Einbildung stattfinden musste. Er konnte die Straßen ausmessen und ihre Namen niederschreiben, seiner Arbeit sogar winzige Rechtecke hinzufügen, um einzelne Häuser zu markieren, aber er konnte niemals alle Einzelheiten hineinbringen, so wie ich sie wahrnahm. Konnte er die Schatten der Leute sehen, die diese Häuser betraten und sie verließen, und fragte er sich nach ihrem Leben und ihrem Wohlergehen? Konnte er seine flachen Papierstraßen mit den Ereignissen des Lebens erfüllen, welches ich wie ein Gott aus der Höhe beobachtete? Vielleicht tat er dies zu einem gewissen Grade, aber er konnte es niemals wirklich sehen und kennen, wie es bei mir der Fall war. Es war herrlich und zur gleichen Zeit auf traurige Weise entmutigend. Meine Bestürzung stammte von dem Wissen, dass ich dies mit niemandem teilen konnte. Ich tat das Unmögliche, und obgleich es über die Grenzen der Vorstellungskraft hinaus erheiternd war, war es gleichzeitig auch unaussprechlich einsam.
    Ich dachte an Nora. Sie war der einzige Mensch von allen Menschen auf dieser Welt, der meine Gefühle vielleicht verstehen, wertschätzen konnte.
    Obwohl sie diese Fähigkeit gewiss besaß, hatte ich sie niemals darüber sprechen hören. Sie war stets darauf bedacht, die Andersartigkeit ihrer veränderten Natur gut versteckt zu halten, wobei sie ihr Talent, andere zu beeinflussen, dazu einsetzte, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass sie sich von jeder anderen normalen Frau nicht unterschied.
    Aber sie war anders. Anders, weil ich sie liebte .
    Die Erinnerung an ihr Gesicht, ihre Stimme stürzte auf mich ein, stärker als der Wind. Ich drehte mich wie ein Blatt und begann hinabzuschweben. Schnell.
    Das Bedürfnis, diese Illusion aufrechtzuerhalten, war für sie von großer Bedeutung. Ich hatte gesehen, wie es gewesen war, als Tony Warburton sie ihr mit dem grausamen Stoß einer Klinge entrissen hatte.
    Ich bewegte mich spiralförmig hinab, hinab, hinab, indem ich nahe an den harten Backsteinen der Gebäude herunterglitt.
    Wo bist du, Nora? Warum ließest du mich gehen? Warum hast du mir nicht erzählt, was geschehen würde?
    Ich wurde massiv. Schwer.
    Vielleicht war sie wegen dieses Bedürfnisses zur Vortäuschung nicht willens gewesen, ihr Wissen mit mir zu teilen. Gott weiß, mit allem anderen war sie verschwiegen genug.
    Ich sank schneller hinab.
    Vielleicht dachte sie, ihr Schweigen sei nur zu meinem Besten gewesen.
    Schneller.
    Vielleicht war sie sich meiner Liebe zu ihr nicht sicher gewesen, oder, noch schlimmer, ihrer Liebe zu mir.
    Mit einem Ruck, der mein Rückgrat durchzuckte, landete ich hart auf dem Pflaster. Der Aufprall war so heftig, dass meine Beine ihn nicht aushielten. Ein Knochen brach. Das grässliche Knacken war für mich sehr deutlich zu hören. Ich fiel hin und rollte ein Stück. Der Schmerz folgte nur eine Sekunde später und entlockte mir einen erstickten Schrei. Ich streckte mich auf der eiskalten Straße aus und wand mich, um der Qual zu entkommen.
    Vielleicht... hatte sie mich niemals wirklich geliebt.

KAPITEL 6
    »Schwermut«, verkündete Oliver und funkelte mich von seinem Sessel am Kaminfeuer des Salons aus an.
    Ich erwiderte nichts, sondern zuckte nur mit den Schultern, auch wenn ich dazu neigte, ihm vollkommen zuzustimmen.
    »Das muss an all diesem schwarzen Stoff liegen, der an den Fenstern und Spiegeln hängt«, warf Elizabeth ein und bedachte mich ebenfalls mit einem strengen Blick, als sie ihren Tee umrührte. »Und daran, dass die Vorhänge die ganze Zeit zugezogen sind, um die Nachbarn nicht zu kränken.«
    »Oh, das wird sich bald ändern«, meinte Oliver und griff nach einem Biskuit.
    »Und ich werde keinen Gedanken daran verschwenden, wer gekränkt sein könnte. Gott weiß, Mutter hat sich niemals Sorgen darum gemacht, ob andere Leute vielleicht gekränkt sein könnten – aber um zu den Beschwerden deines lieben Bruders zurückzukehren – diese Dinge, gemeinsam mit der Tatsache, dass es Winter ist, sind ohne Zweifel daran schuld, dass du an einem schlimmen Fall von Schwermut leidest.«
    »Was

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