Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
mit meinem Bischof darüber, der mir zu Gebeten für den Jungen riet, aber sonst zu nichts.«
»Was haben Sie getan?«, fragte Jessica.
Hannah lehnte sich zurück und ruckte auf dem Stuhl hin und her. »Ich kehrte in meine Gemeinde zurück und sagte zu der Frau, ich könne nichts für sie tun. Sie fiel auf die Knie und flehte mich an, ich solle noch einmal zu ihr kommen, es sei schlimmer geworden.
Selbstverständlich ging ich zu ihr. Als ich dort ankam, fand ich den Jungen in Windeln vor, obwohl er sieben Jahre alt war. Der Raum wurde von Petroleumlampen erhellt, und es roch nach welken Blumen und Schwefel. Die Frau übergab mir den Jungen und führte meine Hand über sein dickes, lockiges Haar.«
Roland strich mit der Hand über die zerkratzte Oberfläche des Metalltisches, vielleicht, um die Erinnerung an damals zu wecken. Er ertastete die tiefen Rillen in der Tischplatte.
»Wissen Sie, was ich gefühlt habe?«, fragte er.
»Nein.«
»Hörner, Detective. Der Junge hatte zwei kleine Hörner, die aus dem Schädel herauswuchsen.«
Roland Hannah senkte den Kopf. Die Detectives sahen, dass er die Lippen bewegte. Offenbar sprach er ein Gebet. Anschließend erzählte er seine Geschichte weiter.
»Gegen den Rat meines Bischofs führte ich das Ritual durch. Es war ein langer, anstrengender Prozess, der meinen Glauben ebenso gefährdete wie mein Leben. Doch an jenem Tag fuhr etwas in mich hinein, Detective, etwas, das vorher aus dem Jungen herausfuhr. Und als ich mich verabschiedete, ging es ihm gut.« Roland Hannah faltete die Hände. »Im ganzen County verbreitete sich die Nachricht von diesem göttlichen Ereignis. Es gäbe himmlische Neuigkeiten, sagten die Leute. Und obwohl ich selbst noch ein halbes Kind war, wussten die Menschen, dass ich vom Feuer des Heiligen Geistes erfüllt war. An diesem Tag wurde die Holy Thunder Caravan geboren.«
In dem Raum herrschte fast eine Minute Schweigen. Schließlich sagte Jessica in die Stille hinein: »Das ist eine sehr interessante Geschichte, Roland.«
»Gelobt sei Jesus Christus.«
» Sehr interessant. Ich würde aber gerne über eine andere Zeit Ihres Lebens mit Ihnen sprechen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Überhaupt nicht«, sagte Hannah. »Wie Sie sich gewiss vorstellen können, habe ich jede Menge Zeit.«
»Lassen Sie uns über die Tragödie sprechen, die Sie vorhin erwähnt haben. Lassen Sie uns über den Tag sprechen, als Ihre Stiefschwester Charlotte und deren Freundin Annemarie ermordet wurden.«
Das Wort ermordet schwebte in der Luft. Jessica erinnerte sich gut an den Fall. Die beiden Mädchen waren im Fairmount Park brutal ermordet worden. Jahre später kam ein Polizist namens Walter Brigham während der Ermittlungen ums Leben.
»Charlotte«, sagte Hannah mit sanfter Stimme. »Wenn es Ihnen recht ist, Ma’am, möchte ich nicht über sie sprechen.«
Jessica glaubte zu hören, dass Hannahs Stimme unmerklich bebte. Es war ärgerlich, dass sie seine Augen nicht sehen konnte, aber sie war sicher, dass sie ihn ein wenig aus der Fassung gebracht hatte. »Worüber würden Sie denn gerne sprechen?«, fragte sie.
Roland Hannah lächelte. »Sie haben um ein Gespräch mit mir gebeten, Detective.«
Jessica blätterte ein paar Unterlagen durch, um Hannah zu verunsichern. »Da haben Sie recht.« Sie schob ihren Metallstuhl zurück. Das Kratzen des Stuhlbeins auf dem Betonboden klang in dem kleinen Raum wie ein Schrei. »Lassen Sie uns darüber sprechen, was vor fünf Jahren geschehen ist. Lassen Sie uns über eine Serie furchtbarer Morde in Philadelphia sprechen.«
Roland Hannah schwieg, und sein Lächeln verschwand.
»Lassen Sie uns mit einem Mann namens Edgar Luna, einem Mann namens Basil Spencer und einem Mann namens Joseph Barber beginnen«, sagte Jessica. Edgar Luna, Basil Spencer und Joseph Barber waren drei von Hannahs Opfern.
Der blinde Mann schwieg eine ganze Weile. Eine Windbö rüttelte an einer lockeren Fensterscheibe. Schließlich begann Roland Hannah langsam zu sprechen.
»Ich habe damals nicht das Recht in die eigenen Hände genommen. Ich habe diese Pädophilen nicht umgebracht. Ich wurde ebenso hereingelegt wie jetzt.« Er zeigte auf den Raum, den er nicht sehen konnte. »Ich bin blind und sitze im Gefängnis. Wie kann ich eine dieser Taten begangen haben?«
Jessica und Byrne wussten beide, wie sie mit dieser Faktenlage vor Gericht dastehen würden. Es sah nicht gut aus für sie.
»Warum haben Sie dann gestanden?«, fragte Jessica.
»Weil
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