Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
wenn Sie mich fragen.«
»Ma’am?«
»Man sagte, sie hätte ein Kind des Teufels.«
Jessicas Blick wanderte zu Byrne und zurück zu der Frau.
»Um das Mädchen ranken sich viele Geschichten«, fuhr Mrs. Munson fort. »Ich weiß, dass sie sich diesem Prediger angeschlossen hatte.«
»Von welchem Prediger sprechen Sie?«
Die Frau lachte. »Suchen Sie sich einen aus. Dann gebe ich Ihnen noch einen gratis dazu. In West Virginia gab es immer Prediger wie Sand am Meer.« Sie tippte mit dem Finger auf das Foto des Messbuchs und gab es Jessica zurück. »Der hat diese Messbücher an die Leute verteilt wie Bonbons. Und die hübschen jungen Mädchen haben noch viel mehr von ihm bekommen.«
»Erinnern Sie sich an den Namen des Mannes?«
Mrs. Munson schüttelte den Kopf. »Seinen Namen kenne ich nicht. Ich weiß aber, dass die Ruby von den Longstreets Knall auf Fall von zu Hause abgehauen ist und sich dem Wanderprediger angeschlossen hat.« Sie schaukelte einmal vor und zurück. »Und ihr Junge hatte den Teufel in sich.«
»Ich weiß nicht, wie Sie das meinen.«
Die Frau nahm einen rostigen Kaffeebecher vom Tisch und spuckte hinein. Jessica zwang sich, Byrne keinen Blick zuzuwerfen.
»Angeblich war der Junge von Grund auf böse. Der Vater war vom Teufel besessen, und dem Jungen wurde das Böse in die Wiege gelegt.«
Jessica steckte ihr Notizheft ein. Selbst wenn ihnen irgendetwas von dem, was die Frau sagte, helfen könnte, war sie ziemlich sicher, dass sie den Kollegen ihre Notizen zu diesem Thema nicht vorlesen und sie nicht in die Akte heften wollte. Bei den verrückten Sprüchen der Frau würde sie es hier sowieso nicht mehr lange aushalten.
»Wo finden wir Ruby Longstreet?«, fragte Byrne.
Die Frau zuckte wieder mit den Schultern und spuckte noch einmal in den Kaffeebecher. »Der Name der Longstreets hat einen Makel. Sie wird ihn auf jeden Fall geändert haben, auch wenn sie nicht verheiratet ist. Ich weiß, dass sie es getan hat.«
»Wollen Sie damit sagen, dass keiner der Longstreets mehr hier in der Gegend wohnt?«
»Die sind alle längst weg. Jeder, der ein bisschen Verstand hat, ist längst weg von hier. Rubys Mutter lebt im Pflegeheim in Weirton. Ihr Haus oder das, was davon übrig ist, ist fünf Meilen von hier entfernt. Etwas weiter vielleicht.«
»Wir sind dort entlanggefahren, haben aber nichts gesehen«, sagte Byrne.
»Doch, es steht noch da. Sie müssen eine ganze Weile dem Bergrücken folgen. Glauben Sie mir, es steht noch da. Ehrenwort. Da gibt es aber nur noch Spinnen und Murmeltiere.«
Die Detectives bedankten sich bei der Frau. Sie stand nicht auf und brachte sie nicht zur Tür.
Jessica legte eine Visitenkarte auf den Holztisch am Fenster. Sie wusste nicht einmal, ob Mrs. Munson überhaupt ein Telefon hatte. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, was uns helfen könnte, Ruby Longstreet zu finden, rufen Sie uns bitte an.«
Die Frau antwortete nicht. Sie hörten nur das Knarren des Schaukelstuhls.
Als sie zum Wagen gingen, hatte Jessica das Gefühl, Blicke auf sich zu spüren. Nach ein paar Schritten drehte sie sich um.
Der Junge saß auf dem Dach und beobachtete sie.
*
Jessica und Byrne fuhren Richtung Süden. Sie schwiegen. Nach der Begegnung mit Ida-Rae Munson und dem bellenden Jungen waren sie noch immer sprachlos. Nach fünf Meilen gelangten sie zu dem überwucherten Weg, der vermutlich zum Haus der Longstreets führte. Jessica hielt an.
»Bist du sicher, dass du wirklich dahin fahren willst?«, fragte sie.
»Jetzt sind wir einmal hier«, sagte Byrne. »Was wäre eine Reise nach West Virginia ohne einen Besuch des berühmten Longstreet-Anwesens?«
Jessica konnte nicht darüber lachen.
»Das wäre genauso, als würden wir nach Asheville fahren, ohne das Biltmore-Anwesen zu besichtigen«, fügte Byrne hinzu.
Obwohl sie nicht die geringste Lust verspürte, bog Jessica in den Weg ein. Sie betete im Stillen, dass ihnen nicht noch mehr bellende Jungen begegneten.
Sie folgten dem von Unkraut überwucherten Weg über den Hügel. Nach gut einer halben Meile erblickten sie das, was vom Haus übrig geblieben war. Zwei Gebäude, denen Wind und Wetter im Laufe vieler Jahre zugesetzt hatten, standen neben einem zugefrorenen Teich. Dahinter führte eine ausgetrocknete Abwasserrinne den Hügel hinunter.
In dem Teich lagen ein verrosteter Kotflügel und Radkasten eines alten Pick-ups. Als Jessica und Byrne ausstiegen und sich dem Haus näherten, sah Jessica, dass die Gebäude gebrannt hatten.
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