Der Teufel und die Lady
und seine entschlossen gestrafften Schultern ließen sie erschauern. Er war das Sinnbild von Ordnung und Disziplin. Ihr eigenes Leben, von ihrer Malerei bis hin zu der sich auflösenden Stickerei an ihrem Ausschnitt, kam ihr dagegen unbesonnen und chaotisch vor.
Minze sowie Rosmarin waren unter die Binsenstreu gemischt worden, und der frische, würzige Duft hüllte sie ein, als die Blätter unter Montgomerys Stiefeln zermalmt wurden.
Sein Griff um ihr Handgelenk war gebieterisch, aber nicht schmerzhaft. In seiner großen Hand fühlte ihre sich winzig und zerbrechlich an. Brennas einzige Waffen waren ihr Verstand und ihr Mut. Das würde ausreichen müssen.
Sie hoffte, nicht zu erröten, als sie Jennet, der Waschfrau, auf den Stufen zur Großen Halle begegneten. Jennet war früher ihre Freundin gewesen, und Brenna fragte sich, ob sie sich voller Verachtung Genna und Ysanne angeschlossen hatte.
„Mylady?“ Jennet stützte den Waschkorb auf ihrer Hüfte ab.
Brenna blickte bewusst ins Leere. Sie wollte Jennet nicht sehen, sie wollte niemanden sehen.
„Ich werde Eure Schwester holen, Mylady.“ Jennet raffte ihren Rock, als wollte sie sofort loseilen. „Sie ist schließlich schuld an alldem.“
Dankbarkeit durchflutete Brenna, weil sich offenbar doch nicht alle gegen sie gewandt hatten. „Ich danke dir, Jennet“, flüsterte sie heiser.
Der Lärm klirrender Humpen und lachender Männer wurde lauter, es roch nach gebratenem Fleisch und frisch gebackenem Brot.
Immer mehr Burgvolk lief ihnen nun über den Weg, und Brenna schnappte einzelne Gesprächsfetzen auf.
„Geschieht ihr recht“, sagte einer und gaffte auf ihre Ketten. „Sie hätte nicht mit dem Dolch auf ihn losgehen sollen, wirklich nicht.“
„Hat schon ihrem Vater nicht gehorcht, und nun gehorcht sie ihrem Gemahl nicht.“
„Es ist eine Schande, wie die Frauen sich heutzutage benehmen.“
„Ich sage dir, Frauen werden eines Tages noch Englands Untergang sein, ja, das werden sie.“
Tief durchatmend beschloss sie, sich nichts von ihrem inneren Aufruhr anmerken zu lassen. Trotzdem bildeten sich feine Schweißperlen auf ihrer Oberlippe, als immer mehr neugierige Gaffer an ihnen vorbeigingen und Brenna sich immer mehr der Schmach bewusst wurde, derart gefesselt vorgeführt zu werden.
Eine Frau schrie beim Anblick ihrer Ketten auf und schüttete den Inhalt ihres Humpens über drei andere Frauen neben ihr, die daraufhin kreischend zurückwichen.
Brenna zuckte zusammen und wünschte, sie hätte alle diese Blicke niederzwingen oder irgendwie verbergen können, dass sie angekettet war wie ein Hund, der seinem Herrn folgte. Sie straffte die Schultern und sah betont auf ein paar nicht entzündete Fackeln an der Mauer, damit sie die allgemeinen Blicke nicht mehr als so quälend empfand.
Irgendwie würde es ihr gelingen, den Weg in die Freiheit und Unabhängigkeit zu finden. Dann würde sie nach Italien reisen, ganz in ihrer Kunst aufgehen und vergessen, dass Montgomery je existiert hatte.
Wenn das denn möglich war.
Denn sie hatte Zweifel, ob sie diese Demütigung je vergessen konnte. Oder den Kuss, den er ihr gegeben hatte. Oder wie sich seine Lippen an ihrem Ohr angefühlt hatten.
Der Gedanke erschreckte sie zutiefst.
Wenn sie doch nur richtig zugestochen hätte. Wenn sie doch bloß nicht gezögert hätte. Dafür verfluchte sie sich – und dafür, dass sie eine Frau war. Als Mann hätte sie solche Momente der Schwäche vielleicht nicht gehabt. Vielleicht konnte sie einen Essdolch entwenden und es noch einmal versuchen.
Sie traten über die Schwelle der Großen Halle. Einen Moment lang blieb Brenna stehen und nahm verblüfft die Veränderungen im Raum wahr. Seit einem Jahr war sie nicht mehr hier gewesen.
Überall huschten Bedienstete herum, Krieger lümmelten sich auf den Bänken vor den Langtischen. Adele saß am Fenster und streichelte Duncan, Panthos lag zu ihren Füßen. Gwyneth glänzte durch Abwesenheit, und Brenna fragte sich nach dem Grund. Mit etwas Glück konnte sie vielleicht mit Adele sprechen, ehe das Fest vorüber war.
Ihr Lieblingswandteppich, auf dem eine Fuchsjagd abgebildet war, fehlte. Seit drei Generationen hatte er sich im Besitz ihrer Familie befunden, ohne ihn wirkte die Wand kahl.
Holzteller auf den Tischen hatten die silbernen ersetzt. Auch die bequemen, gepolsterten Stühle neben der Feuerstelle, auf denen sie so viele angenehme Abende beim Schachspiel verbracht hatte, waren fort. An ihre Stelle waren harte
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