Der Teufel und die Lady
fallen. Sie war böse auf ihren Vater und auf sich selbst, weil sie sich in diese Intrige gegen den König hatte verwickeln lassen. Sie hatte doch nur die Chance haben wollen, in Ruhe zu malen und ihr eigenes Leben zu führen. Sie hätte fliehen sollen, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hatte – als Gwyneth im Hochzeitsgewand in ihre Kammer gekommen war.
Verzweiflung packte sie, als ihr bewusst wurde, wie hoffnungslos gefangen sie war. Selbst wenn es ihr gelang, sich ihrer Ketten zu entledigen, konnte sie nicht so ohne Weiteres von hier verschwinden.
Wenn ihr Gemahl zurückkehrte und feststellte, dass sie fort war … Gott allein wusste, was dann geschehen würde. Sie war diejenige, die zwischen Montgomery und dem Schicksal ihrer Schwestern stand. Sie versuchte sich einzureden, dass es ihr gleichgültig war, was mit Gwyneth und Adele geschah. Aber sie konnte ihr Gewissen nicht dazu bringen, diese Lüge zu glauben. Es machte ihr nichts aus, ihren Vater sich selbst zu überlassen. Doch ihre Schwestern musste sie finden, um einen Plan zu schmieden, der ihnen allen dreien die Flucht ermöglichte. Wenn sie genug Gold für die Reise nach Italien aufbringen konnten, würde Mutter Isabella sie, wie bereits versprochen, im Kloster aufnehmen – und Nathan konnte dann sicher die Annullierung ihrer Ehe bewirken.
Brenna öffnete eine der Schubladen des Tischs und sah bedrückt auf die Leere darin. Dann starrte sie aufgebracht auf die Truhe an der Wand. Das Malen war für sie stets ein Refugium in einer aus den Fugen geratenen Welt gewesen. Es kribbelte ihr in den Fingern. Sie wollte etwas bildnerisch gestalten, in leidenschaftlichen, kräftigen Farben, um wenigstens eine Zeit lang ihre Sorgen vergessen zu können. Ein Teil ihrer Abmachungen war, dass er ihr ihre Malutensilien wiedergeben würde. Aber nun war er auf der Suche nach ihrem flüchtigen Vater – und die Farben waren immer noch weggesperrt.
Verzweifelt knallte sie die Schublade wieder zu und strich sich über die Fesseln um ihre Handgelenke, ehe sie aufstand und zur Tür ging, um dagegen zu hämmern und darauf zu bestehen, dass man sie hinausließ.
Sie musste endlich damit anfangen, einen Fluchtplan zu schmieden. Zuerst würde sie in die Große Halle gehen und den Austausch der Binsenstreu anordnen, damit sie Meirionas Haarnadel finden konnte. Vielleicht gelang es ihr ja sogar, ein Messer zu stehlen. Dann wollte sie ihre Schwestern aufsuchen. Bruder Giffard war zur Hochzeit gekommen; ihn würde sie bitten, heimlich Vorkehrungen für die Reise nach Italien zu treffen. Außerdem wollte sie mit Egmont, dem Schmied, sprechen. Er sollte ihr einen Schlüssel für die Ketten schmieden.
Als der grobe Rahmen für ihren Plan feststand, verspürte sie einen ersten Funken Hoffnung. Kraftvoll hämmerte sie weiter mit der Faust gegen die Tür.
Sie schwang plötzlich auf.
Nicht abgeschlossen! Brenna unterdrückte einen Triumphschrei. Gleichzeitig ärgerte sie sich über sich selbst, weil sie durch ihr Eingesperrtsein so resigniert hatte, dass ihr nicht einmal in den Sinn gekommen war, zu überprüfen, ob die Tür überhaupt verschlossen war.
Gespannt spähte sie in den Flur hinaus. Ein Jahr Gefangenschaft – und jetzt konnte sie sich frei in der Burg bewegen!
Ein schlaksiger Jüngling mit einem für sein Alter übergroßen Schnurrbart lehnte an der gegenüberliegenden Mauer. Den Bart hatte er offenbar mit Bienenwachs gezwirbelt, was dem jungen Mann das Aussehen eines Walrosses verlieh. Lächerlich. Er war kaum dem Knabenalter entwachsen.
„Mylady“, sagte er ehrerbietig und strich über sein haariges Gebilde. „Würden Sie gern irgendwo hingehen?“
Sie betrachtete eine Weile sein Oberlippenkunstwerk und überlegte, ob sie sich lobend dazu äußern oder es ignorieren sollte. „Wer bist du?“
„Eure Wache, Mylady.“
Aha. Sie hatte also eine Wache. Als ob die Ketten nicht ausreichten, Brenna hier in der Burg festzuhalten. Ärgerlich, aber nicht weiter überraschend. Wenigstens war sie nicht in ihrer Kammer eingesperrt. Sie musterte ihn stumm. Er wirkte wie einer der Jünglinge, die sonst Gwyneth mit Liebesschwüren auf den Lippen in Scharen zu Füßen fielen.
„Ich soll Euch begleiten, wo immer Ihr hinzugehen wünscht.“
„Ich würde gern meine Schwester aufsuchen.“
Er verneigte sich mit ausladendem Schwung seines dunkelroten Umhangs. „Mein tiefstes Bedauern, Mylady, aber man hat mir aufgetragen, dass Ihr nicht mit Familienmitgliedern sprechen
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