Der Teufel von Mailand
nicht ein, ich weiß es. Mein Gehirn hat manchmal die Fähigkeit, die Farben der Töne zu sehen.«
Sie spürte Bobs Lächeln im Halbdunkel. »Was für eine Farbe hat mein Klavierspiel?«
»Wie Zigarettenrauch. Blau, wie er sich von der Glut gegen die Decke kräuselt. Nicht grau, wie er aus Mund und Nase kommt.«
Er zog sie an sich. »So möchte ich spielen. Blau und durchsichtig und schwebend, wie der Rauch einer vergessenen Zigarette.«
»Manchmal kann ich Töne auch schmecken.«
»Und wie schmeckt mein Klavierspiel?«
Sonia richtete sich auf und beugte sich über sein Gesicht. »So.« Sie schob ihre Zunge in seinen Mund.
Bob schlief noch, als sie leise aus dem Zimmer ging und das »Bitte nicht stören« an die Türklinke hängte.
Die Empfangshalle war leer, die Rezeption verlassen. Aus dem Raum dahinter klang leise die Stimme eines Sprechers, der die Frühnachrichten las.
Der inzwischen schon vertraute Geruch nach Chlor und ätherischen Ölen empfing sie. Still wie verwunschene Teiche lagen die beiden Becken da.
Hinter der gläsernen Fassade dämmerte die Landschaft als Wandgemälde. Der Himmel war bedeckt und tauchte die Bergflanke und das Tal in ein diffuses Licht ohne Schatten und Tiefen.
Die Massagebrause am Rand des Thermalbeckens tropfte in die Stille.
Eine der Liegen am Beckenrand tanzte aus der Reihe. Sie stand etwas schief und weiter vorn, als die andern. Ein Bademantel lag auf der weißen Matratze und berührte auf beiden Seiten den Boden. Sonia rückte die Liege zurecht und hob den Bademantel auf. Zwei Zeitschriften lagen darunter. Von der Art, wie sie Lea, das älteste der vier Häusermann-Kinder, las.
An einem Haken bei den Duschen hatte jemand eine Badekappe vergessen. Neben dem Jacuzzi lag ein Paar Badepantoffeln mit dem eingestickten Hotelschriftzug.
Sonia machte Ordnung und ging zur Treppe. Sie zögerte einen Moment, bevor sie hinunterging. Sie kam ihr heute vor wie der Zugang zu einer Gruft.
Der Korridor schien ihr kühler und abweisender als an anderen Morgen, an denen sie Frühdienst hatte. Eilig, als wäre jemand hinter ihr her, ging sie zum technischen Raum, drückte die Klinke runter, holte tief Luft und stieß die Tür auf.
Sie blieb einen Moment stehen, bis sich die Augen an die nur durch die Lämpchen der Armaturen gelinderte Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann ging sie entschlossen zum Sicherungskasten und drehte den Lichtschalter an.
Sie rief die Bilder der richtigen Positionen der Schalter, Knöpfe und Hebel ab und führte hastig die nötigen Handgriffe durch. Dann verließ sie den Raum und begann ihre Inspektionstour durch die Räume.
Bei jeder Tür mußte sie sich überwinden, sie zu öffnen. Überall machte sie sämtliche Lichter an und drehte die Dimmer voll auf.
Den Ruheraum hatte sie sich für den Schluß aufgespart. Jetzt stand sie davor und zwang sich, die Türklinke runterzudrücken. Sie öffnete die Tür einen Spalt, ließ die Klinke los, trat einen Schritt zurück, zählte bis drei und stieß sie mit dem Fuß sachte auf. Langsam schwang sie in den Angeln und gab den Blick frei auf das Aquarium. Die Fische glitten ruhig durch die Wasserpflanzenlandschaft.
Vorsichtig trat sie ein und machte Licht. Alles schien in Ordnung, nur mit dem Geruch stimmte etwas nicht. Es duftete nach keinem der Öle, mit denen sie den Raumbedufter füllten. Etwas anderes hing in der Luft. Patschuli?
Eine der Liegen war benutzt. Jemand hatte sich aus Badetüchern ein Kissen gemacht. Das Fußende war verschmutzt, als hätte er sich mit dreckigen Schuhen draufgelegt.
Am Boden neben der Liege lagen Asche und der Stummel einer Zigarette. Nein, nicht einer Zigarette: Eines Joints.
Sonia schloß die Tür und rannte die Treppe hinauf.
Oben stieß sie beinahe mit Barbara Peters zusammen. Sie war nicht, wie sonst immer um diese Zeit, in ihrem Bademantel, sondern trug Jeans und einen roten Kaschmirpullover und eine Baseballmütze, um ihre ungepflegten Haare zu verbergen. Sie war nicht zurechtgemacht und sah aus, als hätte sie nicht viel geschlafen.
»Ist etwas mit Bango?« fragte sie ängstlich.
»Da war jemand im Ruheraum und hat einen Joint geraucht.«
Barbara Peters tat die Nachricht mit einer Handbewegung ab. »Er ist die ganze Nacht nicht aufgetaucht. Ich rechne mit dem Schlimmsten.«
»Nicht einer der Gäste hat einen Joint geraucht. Ich glaube, jemand ist in der Nacht hier eingedrungen und hat sich mit schmutzigen Schuhen auf eine Liege gelegt und in aller Ruhe einen Joint
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