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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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ließ das Getriebe kreischen. Alle rund um den Wagen machten Platz. Liang brülltewütende Befehle. Die Knüppel hoben sich. Shan bemerkte, dass Norbu ihn ansah. Er erwiderte den Blick kühl und durchdringend. Dann legte er den Gang ein und fuhr los.
    Das Schild zerbarst, als er es traf, und die Splitter flogen hoch in die Luft. Der Pfahl, an dem es hing, war jedoch dick und tief eingegraben. Er verbog die Stoßstange und beschädigte den Kühler, bevor er brach. Shan stieg aus und starrte mit gespielter Verwirrung auf den Dampf, der von seinem beschädigten Wagen aufstieg. Mit flüchtigen Blicken vergewisserte er sich, dass die Tibeter nun zufrieden waren und den Rückzug antraten.
    Norbu musterte Shan unschlüssig und lief dann an seine Seite. »Wir beten, dass Sie nicht verletzt wurden, Genosse«, rief der Abt laut und wandte sich dann an die Polizei. »Wieder einmal haben die Götter zugunsten der Tibeter eingegriffen«, fügte er herausfordernd hinzu.
    Liangs Blicke durchbohrten Shan. Nach Tans Intervention konnte er Shan nicht mehr festnehmen, erst recht nicht vor so vielen Zeugen und für einen Zwischenfall, der wie ein Missgeschick wirkte. Er hob das Megaphon an die Lippen und zeigte auf Norbu.
    »Hinter all dem steckt das Kloster Chegar!«, rief der Major mit leicht wankender Stimme. »Wer die Umarmung des Mutterlandes zurückweist, muss die Konsequenzen tragen!« Er klang wie ein erfahrener Schauspieler, der sich bemüht, einen Fehler im Drehbuch auszubügeln.
    ***
    In dem kleinen Café in Baiyun herrschte zum ersten Mal eine sorglose, fast fröhliche Stimmung. Man hatte Tische nach draußen in die goldene Nachmittagssonne gestellt.
    Shan hatte Professor Yuan in seinem Haus gesucht, aber nurdessen Tochter angetroffen, die in der Küche an ihrem Computer saß. »Was Sie beide heute Morgen gemacht haben, war sehr leichtsinnig«, sagte er zu Sansan.
    »Ich habe versucht, es ihm auszureden. Er war auf ein Zitat von Mao gestoßen und hatte beschlossen, den Ratschlag zu befolgen. ›Eine wahre Regierung des Volkes verlangt eine ständige Revolution.‹ Als Jigten herkam, um Medizin zu holen, und dabei das Schild erwähnt hat, war gerade die Zinnoberrote Gesellschaft hier versammelt. Mein Vater hat den Vorschlag nur im Scherz geäußert, aber einer von ihnen sagte, er wisse, wo man Farbe herbekommen könne. Sie waren wie kleine Jungen, die ein Abenteuer planen. Sie feiern immer noch im Teehaus. Ich begleite Sie.«
    Zu Shans Überraschung saßen Tibeter mit den üblichen Gästen des kleinen Cafés zusammen. Sie warfen verunsicherte Blicke über die Straße. Einer der Professoren versuchte, die tibetische Kellnerin mit Schmeicheleien zu einer Partie Dame zu überreden. Shan setzte sich an einen Tisch im Hintergrund und bestellte Tee. Es war eine seltene Stunde der Kameradschaft zwischen Tibetern und Chinesen. Sie hatten einen winzigen Sieg über die Regierung errungen, und obwohl er nicht von Dauer sein würde, war er es wert, ausgekostet zu werden. Doch für Shan hatte dieser Sieg einen bitteren Beigeschmack.
    Es war ihm gelungen, seinen beschädigten Pick-up zu Lung zu bringen, aber die Reparatur würde mehr als einen Tag dauern. Lokesh wusste genug über das unvorhersehbare Leben in diesem Tal, um sich keine Sorgen zu machen, wenn Shan abends nicht bei ihrer kleinen Hütte auftauchte. Doch morgen war Sonntag, der erste Sonntag des Monats. Die Stimme in seinem Kopf war im Verlauf der letzten Woche immer lauter und hartnäckiger geworden. Ko wartet auf dich. Ko braucht dich. Er darf nicht glauben, dass du ihn aufgegeben hast. Nichts darf dich davon abhalten, deinen Sohn zu besuchen.
    Während er nun zum südlichen Horizont starrte, redete er sich einen Moment lang ein, er könne zu Fuß gehen. Viele tibetische Familien nahmen regelmäßig Zwei- oder Dreitagesmärsche auf sich, um ihre Angehörigen im Gefängnis zu besuchen. Doch auch wenn er die ganze Nacht hindurch lief, würde er es nicht über die steilen Bergstraßen schaffen, bevor die Besuchszeit am nächsten Vormittag endete. Er würde hier im Stall übernachten und seinem Sohn einen Brief schreiben müssen, der Ko hoffentlich auch erreichte.
    Das zwanglose Geplauder erstarb schlagartig. Shan hob den Kopf. Auf der anderen Straßenseite hielt ein Wagen der Öffentlichen Sicherheit. Liang und Meng stiegen aus, gefolgt von zwei Soldaten der Kriecher.
    Als Shan das Funkeln in Liangs Augen sah, zog sein Magen sich zusammen. Der Major mochte an der Kreuzung eine

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