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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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wieder in der Menge am Marktplatz verschwand.
    »Interessante Technik«, erklang eine belustigte Stimme hinter ihm. »Davon habe ich mal in einem Seminar gehört. Der Jo-Jo-Stil. Wickel sie ein, und mach ihnen gehörige Angst. Wenn sie schon gar nicht mehr damit rechnen, lass sie gehen. Wenn du sie dann wieder einholst, sobald es wirklich darauf ankommt, werden sie dich förmlich anflehen, dir zu Diensten sein zu dürfen.«
    Als Shan sich zu der Kriecher-Offizierin umdrehte, holtesie aus ihrer Tasche eine Tüte gesalzene Sonnenblumenkerne hervor, bot Shan davon an und bedeutete ihm dann, er möge draußen auf der Bank vor dem Stall Platz nehmen.
    Er warf einen langen verstohlenen Blick auf die Frau, während sie sich neben ihn setzte. Sie gehörte der Öffentlichen Sicherheit vermutlich schon seit Jahren an, aber sie hatte weder die gereizte Miene noch die frostigen Augen der meisten Kriecher-Offiziere, die Shan gekannt hatte. Ihr Gesicht wirkte unerwartet weich, und in ihrem Blick lag intelligente Neugier. An einem anderen Ort, nicht in Uniform, mit dem Haar offen über den hohen Wangenknochen wäre sie attraktiv gewesen.
    Doch ihre Reflexe waren die eines Kriechers. »Ich werde mich bemühen, ihn demnächst wegen irgendwas festzunehmen«, sagte sie beiläufig und musterte die Menschenmenge. »Ich stecke ihn für eine Nacht in die Arrestzelle. Wenn ich ihn dann wieder auf freien Fuß setze, werde ich behaupten, es geschehe Ihnen zuliebe. Ein Gefallen für den Genossen Shan.«
    Er hielt ihrem ruhigen Blick stand, als er sich ein paar Sonnenblumenkerne nahm, und hoffte, sie würde ihm die Angst nicht anmerken. In Tibet wimmelte es von chinesischen Spionen. Die Frau hielt ihn für irgendeinen Geheimagenten, der ein Netzwerk aus Informanten aufbaute.
    »Wem habe ich das alles zu verdanken?«, fragte er.
    »Leutnant Meng Limei. Ich bin die örtliche Verbindungsoffizierin der Öffentlichen Sicherheit«, sagte sie und beobachtete dann weiter den Markt. Shan stellte erschrocken fest, dass zwei Fahrzeuge der Öffentlichen Sicherheit eingetroffen waren und zu beiden Seiten des Marktes parkten. In diesem Moment hielt auf der Straße ein Mannschaftstransporter der Bewaffneten Volkspolizei. »In der Zentrale des Büros heißt es immer, man könne die Traditionalisten nur aus ihren Löchern locken, indem man unsere Einsatzgruppen die Berge durchkämmen lässt. Dann ist Major Liang hier eingetroffen. Geht doch nichtso plump vor, hat er gesagt. Habt ihr denn noch nie davon gehört, dass man zunächst die Blumen blühen lässt?«
    Das war eine von Maos berüchtigtsten Kampagnen gewesen. Lasst hundert Blumen blühen . Mao hatte den Intellektuellen und anderen Bürgerrechtlern zugesichert, sie dürften die Regierung ungestraft kritisieren. Er hatte sie sogar ermutigt, sich zu Protestversammlungen zu treffen und demokratische Parolen an die Wände zu malen. Die Öffentliche Sicherheit nutzte die Zeit, um die Teilnehmer insgeheim zu fotografieren und identifizieren. Dann schlug sie zu und verhaftete Tausende.
    »Bringt sie dazu, von selbst herunterzukommen, hat Liang gesagt«, fuhr sie fort. »Gebt ihnen die Möglichkeit, ihre überlieferten Bräuche zu pflegen. Kündigt irgendeine Art von tibetischem Fest an, hat er vorgeschlagen. Ich habe zu ihm gesagt, dass dieser Markt bereits jede Woche einen großen Teil der einheimischen Bevölkerung anlockt.«
    Shan ließ den Blick über die versammelten Tibeter schweifen und rief sich ins Gedächtnis, dass die Razzien, mit denen er nach den Morden gerechnet hatte, noch nicht angelaufen waren. Ein alter Mann mit funkelnden Augen saß mit einem Brett über den Beinen da, schrieb kurze Gebete auf und verteilte sie an die Passanten. Ein kleines Mädchen kreischte vor Vergnügen, als ein anderer Mann es mit ausgestreckten Fingern an den Schläfen wie ein wilder Yak verfolgte. »Das hier sind aber nur die Frühblüher«, sagte er, während ihm fast das Herz stehen blieb. »Wenn Sie die festnehmen, werden Ihre eigentlichen Zielpersonen sich dermaßen tief eingraben, dass Sie Jahre brauchen werden, um sie aufzuspüren.«
    Leutnant Meng musterte ihn. »Sie wissen mehr über die hiesigen Tibeter, als Sie sagen.«
    »Und Sie wissen mehr über die Morde im Kloster, als Sie sagen.«
    Meng kaute auf ihren Sonnenblumenkernen. »Der Fall wird von unserem auswärtigen Spezialisten geleitet. Major Liang ist dafür zuständig.« Shan wusste, was das hieß: Liang war ein hochrangiger Sonderbevollmächtigter aus

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