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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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einem Klebeband um ihre Daumen war die jeweilige Position am Tatort vermerkt. Bei, Nan, Xi. Norden, Süden, Westen.
    »Die sollten in der Rechtsmedizin liegen«, sagte Shan beunruhigt.
    »Machen Sie sich nicht lächerlich. Das nächste Institut mit entsprechendem Labor befindet sich Hunderte von Kilometern entfernt. Man würde eine so wertvolle Einrichtung niemals an ein« – die Offizierin suchte nach dem passenden Wort – »lokales Verbrechen verschwenden.«
    Shan sah sie durchdringend an. Sie befanden sich nun beide auf gefährlichem Terrain. »Ich glaube, Leutnant, wir sind hier, weil Sie wissen, dass es sich keineswegs um irgendein lokales Verbrechen handelt. Weil Sie wissen, was es mit Sonderbevollmächtigten auf sich hat, die von weit her geschickt werden: dass deren Priorität nämlich nicht die Suche nach der Wahrheit, sondern nach einer politisch verträglichen Lösung ist. Aber kann es sein, dass Sie sich tatsächlich für die Wahrheit interessieren?«
    Meng ignorierte die Frage. »Nan und Xi sind an anderen Stellen gestorben und wurden zu dem chorten geschleift. Sie hatten recht. Die Frau Xi wurde an der Mauer erschossen, aus der wir übrigens ein Neun-Millimeter-Projektil geborgen haben. Bei wurde erst zum chorten gezerrt und dort erschossen. Er ist verblutet. Der Mann Nan hatte ein leeres Holster, aber wir haben keine Pistole gefunden. Er wurde an der Ecke eines Gebäudes am vorderen Tor angegriffen. Sein Blut ist an die Wand gespritzt und hat am Boden eine Pfütze hinterlassen.«
    Shan starrte unterdessen den Leichnam der Frau an. Auf dem Tuch, das sie bedeckte, lag ein Zweig Heidekraut. »Wer war hier?«
    »Niemand«, sagte Meng. »Wir bewachen den Laden.« Sie wischte den Zweig vom Tisch.
    Shan sah sie an. Sie meinte, die Polizei bewachte den Laden. Ihre tibetischen Beamten.
    »Ich habe Sie nach diesem Lama gefragt«, drängte Meng.
    Shan hielt ihrem Blick stand. »Lamas begehen keine Morde.«
    Die Offizierin runzelte die Stirn und trat dann an die Seite des mit Bei bezeichneten Leichnams. Das war der Gesichtslose. »Am ersten Abend, an dem die Toten hier lagen, ist Liang mit einem Arzt hergekommen. Soweit es den Major betrifft, habe ich als örtliche Verbindungsoffizierin seine Begleitung zu spielen und ihm die Einheimischen vom Hals zu halten. Der Arzt hat sich nur für Bei interessiert. Liang ist hiergeblieben und hat mir befohlen, in meinem Büro einen Bericht über die hiesige politische Lage für ihn zu verfassen. Am Morgen bin ich hierher zurückgekommen. Der Ladenbesitzer hatte schreckliche Angst und hat nichts gesagt. Ich habe das hier gefunden.« Sie hob das Tuch über dem nackten Oberschenkel des Mannes an. Seine Haut war bleicher als die der anderen. Es gab einen zwanzig Zentimeter langen, frisch vernähten Einschnitt.
    Shan beugte sich darüber. Da war keine Schwellung, keine Blutergüsse, kein Schorf. Er deutete auf eine kleine Gewebewulst unmittelbar oberhalb des Einschnitts. »Er hat das Bein des Mannes entlang einer alten Narbe geöffnet.«
    Meng nickte wortlos.
    Shan wurde misstrauisch, vermutete eine Falle. Ein Offizier der Kriecher konnte unmöglich so eigensinnig sein. Es war undenkbar, dass diese Frau versuchen würde, die Geheimnisse ihrer Vorgesetzten zu ergründen. Sie war nur ein Leutnant, hielt er sich vor Augen. Die meisten Offiziere ihres Alters hatten bereits einen höheren Rang erreicht. »Falls Sie diese Naht auftrennen würden, wäre das eine Insubordination«, folgerte Shan. »Also soll ich das übernehmen.«
    In Mengs schmalem Lächeln lag Übermut, aber auch eine gewisse Nervosität, die Shan bisher noch nicht an ihr bemerkt hatte.
    »Kennen Sie die Todeszeitpunkte?«, fragte er und nahm ein Messer von einem Wandgestell.
    »Natürlich. Irgendwann letzte Woche, plus-minus ein Tag. Ich bewundere Ihren Glauben an unsere Fähigkeiten. Wir verfügen über die persönliche Habe, zwei Patronenhülsen und eine Holzfälleraxt, die mit anderen Werkzeugen in der Nähe des vorderen Tors gelagert war und eventuell benutzt wurde, um Nans Kopf abzuschlagen. Es ist aber kein Blut darauf. Liang hat die Kugel, die wir aus der Mauer geholt haben. Wir sind uns ziemlich sicher, dass es sich bei den Opfern um zwei Männer und eine Frau handelt. Das, Genosse, ist das gesamte Ausmaß unserer forensischen Untersuchung.«
    »Aber Liang kann auf Hilfsmittel zurückgreifen, hat Zugang zu Laboren. Sie haben gesagt, er sei mit einem Arzt hergekommen.«
    »Soweit ich weiß, geht der Major

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