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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Lastwagen eintreffen mussten. Einer der Wachposten ging nun zu dem Traktor, mit dem man hier die Gräben aushob und zuschüttete. Shan atmete erleichtert auf und stellte zudem fest, dass eine Staubwolke die Ankunft von Lungs Lastern verkündete. Dann hob der zweite Polizist plötzlich seinen Schlagstock und hieb damit auf die erste Leiche. Shan hielt unwillkürlich den Atem an, als der Mann sich der zweiten Schubkarre näherte.
    »Die Organe des Staates müssen demokratischen Zentralismus praktizieren!«, rief Shan kurzerhand und eilte mit seiner Karre zur Grube vor. »Heute ist Kapitel siebzehn dran! Schnell! Wir haben vergessen, dass für heute Morgen eine Prüfung der Zitate des Vorsitzenden anberaumt wurde! Wir dürfen den Großen Steuermann nicht beschämen!« Er formte mit den Lippen ein stummes Gebet und kippte seine Schubkarre dann hastig zur Seite. Der Leichnam darauf rollte in die Grube. Shan fürchtete, der Wachposten werde ihn schlagen, doch das kurze Zögern, das auf Shans Ausruf gefolgt war, hatte gereicht. Der Mann neigte den Kopf in Richtung der vorderen Zufahrtsstraße. Lungs Lastwagen standen bei dem Lagerhaus, und jemand rief hektisch etwas von der Laderampe. Dann sah Shan auf einmal weitere Bewegung auf der Straße. Ein grauer Geländewagen raste mit rot blinkender Signalleuchte auf das Lager zu. Die Kriecher kamen, obwohl sie es hassten, sich mitden Angelegenheiten der Bewaffneten Volkspolizei die Finger schmutzig zu machen.
    Erschrocken sah Shan den Wagen am Haupttor halten. Verzweifelt schaute er von den aussteigenden Kriechern zum Lagerhaus und zurück. Aus dem Motorraum des nächstgelegenen Lasters drang schwarzer Rauch. Die Männer am Lagerhaus riefen noch lauter und zeigten auf den Lastwagen. Dann rannten sie weg, und der Laster ging unvermittelt in Flammen auf.
    Der Polizist in der Nähe von Shan rief den anderen Häftlingen zu, auch sie sollten die Leichen abladen. Sein Kamerad sprang von dem Traktor und lief auf das Feuer zu. Shan gab seinen Begleitern an den anderen Schubkarren ein Zeichen. Sie kippten die Tücher, in denen Cora, Ani Ama und Lokesh steckten, im Schutz einiger Felsen auf den Boden. Die drei rollten sich sogleich weg, streiften die Leinentücher ab und verschwanden in Deckung. Shan warf die Tücher in die Grube. Der Tibeter, der den Eimer Kalk trug, leerte ihn in das Grab, nahm dann wie abgesprochen Shans Schubkarre und schlug den Rückweg zum Tor ein. Shan jedoch stand reglos da und sah den drei Fliehenden hinterher. Er hörte Lokeshs drängendes Flüstern, das ihn aufforderte, sich ihnen wie geplant anzuschließen. Shan blickte zurück zu den Kriechern. Er wusste, weshalb sie hier waren. Falls sie ihn nicht im Lager vorfanden, würden die Hügel bald von Uniformierten wimmeln.
    » Lha gyal lo!« , rief er leise den dreien zu, die ihn von den Felsen aus beobachteten. Dann zeigte er auf die hohen Hänge, drehte sich um und ging zurück zum Tor.
    ***
    Als man Shan in den Verhörraum der Gebietszentrale der Öffentlichen Sicherheit stieß, stand Major Liang dort am Fenster.Er blickte Shan wütend entgegen, drückte seine Zigarette aus, trat zwei Schritte vor und ohrfeigte ihn mit dem Handrücken.
    »Sie glauben, Sie können sich über mich lustig machen!«, rief er. »Sie glauben, Sie können sich ohne mein Wissen in meine Ermittlungen einmischen! Wenn ich mit Ihnen fertig bin, werden Sie um die Kugel betteln, die ich Ihnen dann in den Kopf schieße!«
    Shan setzte sich auf einen der Stühle am Tisch und starrte zum Fenster hinaus.
    »Sie tragen auf Ihrem Arm die Tätowierung eines Arbeitslagers«, sagte Liang zu seinem Rücken. »Wissen Sie, wie selten man die in den Umerziehungslagern antrifft? Wer die Zwangsarbeit überlebt, ist für gewöhnlich ein Musterbürger. Falls eine solche Nummer in den Lagern auftaucht, wird automatisch die Öffentliche Sicherheit verständigt und mit der Überprüfung beauftragt. Nur dass Ihre Nummer sich nicht überprüfen lässt. Unmöglich, habe ich gesagt, es muss eine Akte geben. Dann habe ich mir die Daten selbst vorgenommen. Es ist eine Nummer aus Lhadrung, aber Lhadrung hat keine Aufzeichnungen über Sie. Eine leere Akte. Als ich die Suche etwas breiter angelegt habe, bin ich auf einen berühmten Ermittler gleichen Namens aus Peking gestoßen, der vor Jahren verschwunden ist. Der einzige wirkliche Eintrag besagt, Sie seien ein Grabeninspektor für den Bezirk Lhadrung. Ein Grabeninspektor, der sich als bedeutender Ermittler ausgibt.

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