Der Tod des Bunny Munro
Bord geschleudert werden.
Libby stand da, keck und nackt, stemmte die Fäuste in die Hüften und sagte mit einem schiefen Lächeln: »Du bist betrunken« (was stimmte), »frag mich morgen früh nochmal.« Bunny nahm seine Armbanduhr vom Nachttisch, hielt sie theatralisch ans Ohr und tippte auf das Glas.
»Es ist schon morgen früh«, entgegnete er, und Libby lachte ihr ungezügeltes Mädchenlachen und setzte sich neben Bunny aufs Bett.
»Willst du mich lieben und ehren?« (Sie war genauso betrunken.)
»Ähm, ja«, antwortete Bunny. Er tastete nach den Zigaretten und steckte sich eine zwischen die Lippen. Libby griff ihm zwischen die Beine und knetete.
»In guten wie in schlechten Zeiten?«
»Ähm, okay«, erwiderte Bunny, zündete die Zigarette an und blies eine große graue Rauchwolke in den Raum. Er schloss die Augen. Sie wühlte raschelnd in ihrer Handtasche, und als er die Augen wieder aufschlug, schrieb sie ihm mit Lippenstift etwas auf die Brust.
»Ich muss nochmal pinkeln«, sagte sie, und durch einen Rauchschleier hindurch weidete er sich noch einmal an ihrem phänomenalen Goodbye-Hintern. Bunny stand auf, ging über den schwammigen, unsicheren Boden zur Frisierkommode und sah in den Spiegel. Plötzlich kippte das Zimmer, das Blut wich ihm aus Armen und Beinen und rauschte in sein Gesicht, sein Herz hämmerte in der Brust, und er hielt sich an der Frisierkommode fest und las spiegelverkehrt das kleine Wörtchen ›JA‹.
Als der Bann von ihm wich, blickte er hoch und sah in der Badtür seine zukünftige Frau, die ihn anlächelte.
Während er sich jetzt ans Balkongeländer lehnt, spürt er, auch wenn er nicht direkt darüber nachdenkt, dass die Erinnerung an seine verstorbene Frau – wie sie in einer Absteige in Eastbourne durch einen Nebel von Zigarettenrauch von ihm weggeht – für immer traumgleich durch sein Bewusstsein schweben wird. Wie ein schützender Vorhang wird sie vor all den anderen Erinnerungen hängen, die bei Weitem glücklichste von allen, und ihm all die nüchternen Fragen vom Leib halten, etwa, wie zum Teufel es so weit hatte kommen können.
Bunny sieht zu, wie sich der Krankenwagen gemächlich von den Wohnblocks entfernt, gefolgt von einem Polizeiauto.
»Sie nehmen mir meine Frau weg«, denkt er.
Er trinkt den letzten Schluck Lager, zerdrückt die Dose in der Hand und hört, aus dem Nichts heraus, seinen Sohn fragen: »Willst du noch ein Bier, Dad?«
Langsam dreht er sich um und sieht runter auf den Kleinen. (Wie lange stand er eigentlich schon da?) Er wirkt schmächtiger als sonst in seinen schmutzigen Hotelpantoffeln, die ihm ungefähr zehn Nummern zu groß sind und die Bunny vor einer gefühlten Million Jahren von unterwegs mitgebracht hat. Bunny Junior presst die Lippen zu einer Art schiefem Lächeln zusammen, und dabei sieht er seiner verstorbenen Mutter unheimlich ähnlich.
»Ich hol dir eins, wenn du willst.«
»Hmm, okay«, antwortet Bunny und reicht seinem Sohn die zerdrückte Dose. »Die kann in den Müll.« Der Kleine verschwindet.
Der nächste Schwindelanfall kündigt sich an, und Bunny hält sich einen Augenblick an dem Eisengeländer fest und wünscht sich, alles würde nicht mehr so schnell hintereinander passieren. Er fühlt sich, als wäre seine Sicherungsleine durchtrennt worden, als drifte er weg von allem, was auch nur im Entferntesten an die Wirklichkeit erinnert, und er hat nicht den Hauch einer Vorstellung, Ahnung oder Idee, was in aller Welt er jetzt tun soll. Was soll er jetzt tun?
Unten auf dem Hof sieht er ein paar der Hausbewohner, die im spätnachmittäglich langen Schatten des Blocks stehen und rauchen. Krankenwagen und Polizei haben sie nach draußen gelockt. Bunny fällt auf, dass es ausschließlich Frauen sind; sie reden leise miteinander und sehen ab und zu verstohlen zu ihm hoch. Cynthia, in ihrem gelben Minirock und dem Baumwolltop, redet mit einer jungen Mutter, die ein Baby auf der ausladenden Hüfte hält. Sie wirft ihre Zigarette auf den Boden und tritt sie mit einem säuberlichen Dreh ihres Flip-Flops aus. Bunny sieht, wie der Muskel in ihrem jungen Schenkel hochspringt. Cynthia blickt zu Bunny hoch, lächelt und entblößt ihre langen, metallisch glänzenden Zähne. Dann hebt sie die rechte Hand und winkt Bunny mit den Fingern, und von da, wo er steht, kann er unter dem stramm gespannten Stoff ihres Minirocks die feine Wölbung ihres jungen Hügels sehen. Wie alt ist sie eigentlich?
Was soll er jetzt tun?
Während Bunny Cynthias
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