Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
Vom Netzwerk:
unpassend.«
    Bunny hebt die Hand, kneift Poodle in eine der glatt rasierten, glänzenden Wangen und sagt leise: »Du bist ein Arsch, Poodle. Weißt du das?«
    Poodle grinst belämmert und zieht an seiner Kippe, und seine Hand verrät ein ganz leichtes Zittern. »Mmh … ja, weiß ich.«
    Bunny tätschelt Poodles Wange, streichelt sie fast.
    »Aber ich hab dich lieb«, sagt er.
    »Ich dich auch«, erwidert Poodle.
    »Und jetzt verpiss dich«, sagt Bunny und kurbelt das Fenster hoch.
    Bunny zerknüllt den Zettel, den Poodle ihm gegeben hat, und wirft ihn zwischen Bunny Juniors Füße auf den Boden. Poodle steht auf dem Gehweg, die Hand zu einem hämischen Winken erhoben, und verabschiedet Bunny mit einem obszönen Luftfick, wobei sich der leicht gebogene Umriss seines Penis gut sichtbar auf seiner Jeans abzeichnet. Bunny gibt Vollgas und schert blindlings in den Verkehr auf der Western Road ein.
    »Das ist ein Witzbold, was, Dad?«, sagt Bunny Junior.
    »Poodle, mein Junge, ist ein verdammter Vollidiot«, erwidert Bunny.
    »Was machen wir denn jetzt, Dad?«
    Aber Bunny hört die Frage seines Sohns kaum, denn plötzlich und völlig unerwartet widerfährt ihm etwas, das jenseits von allem liegt, was er bisher erlebt hat. Das simple Zerknüllen und Wegwerfen von Poodles »Geschenk« hat ihn mit der Zuversicht erfüllt, dass er sein Leben im Griff hat. Außerdem macht sich ein nie da gewesenes Gefühl der Tugendhaftigkeit in ihm breit. Eine Welle der Euphorie schwappt durch seinen Organismus, ein Becher Liebe ergießt sich in seine Eingeweide, und Bunny biegt am Adelaide Crescent links ab und fährt in Richtung Küste.
    »Ich kann meinen Hunger kontrollieren«, sagt er leise zu sich selbst.
    »Ich auch, Dad«, sagt Bunny Junior.
    Sie fahren den Adelaide Crescent entlang, vorbei an majestätischen Regency-Häusern, und beobachten schweigend, wie ein Vater seinem kleinen Sohn im Park eine Frisbeescheibe zuwirft, während die Mutter eine karierte Decke ausbreitet und sich über einen geflochtenen Picknickkorb beugt. Autsch – denkt Bunny.
    »Was machen wir denn jetzt, Dad?«, fragt der Junge.
    »Jetzt schütteln wir den alten Monetenbaum, das machen wir«, antwortet Bunny.
    Bunny Junior nimmt die Sonnenbrille ab und verzieht das Gesicht.
    »Was?«, fragte er.
    »Wir bringen ein paar Pfeifen um ihre Asche.«
    Der Kleine lächelt Bunny an, aber es ist so ein Lächeln, das aussieht, als wäre es ihm aus dem Gesicht gefallen, in tausend Stücke zerbrochen und dann in zufälliger Anordnung wieder zusammengeklebt worden – ein Zickzacklächeln, ein Wippenlächeln, ein schiefes, kaputtes kleines Lächeln. Bunny bemerkt den Ausdruck absoluter Ahnungslosigkeit im Gesicht seines Sohnes, das völlig fehlende Verständnis, das riesige Comicfragezeichen über seinem Kopf, und denkt: ›Dieses Kind kapiert ja überhaupt nichts.‹ Und was soll dieses Lächeln?
    »Wir verkaufen was!«, sagt Bunny ärgerlich.
    »Darin bist du gut, nicht wahr, Dad?«, entgegnet der Junge, rutscht auf dem Sitz umher und wirbelt seine Sonnenbrille im Kreis wie einen Propeller.
    Bunny beugt sich dicht an ihn heran und raunt ihm ehrfürchtig und staunend zu: »Ich bin der Beste, Bunny Boy!«
    »Das finden alle, stimmt’s, Dad?«, hört Bunny seinen Sohn sagen, aber sie fahren gerade an einem Bushäuschen mit Werbung für Kylie Minogues nagelneuer Unterwäschekollektion für Selfridges vorbei, die ›Love Kylie‹ heißt, und Bunny fällt ein, dass Poodle im Internet irgendwas über Kylie gelesen hat, aber er weiß nicht mehr, was. Stattdessen spürt er, wie plötzlich das Blut in seinen Gliedern pocht, viral und drängend, und seine Finger pulsieren auf dem Lenkrad. Er sieht den Jungen an.
    »Ich könnte einem Barrakuda ein Fahrrad verkaufen!«, ruft Bunny, und der Kleine lacht.
    »Nein … Quatsch … ich könnte einem Barrakuda zwei Fahrräder verkaufen!«
    Der Junge sieht zu seinem Vater hoch, der mit Leichtigkeit zwischen den anderen Autos ein- und ausschert, eine Hand am Lenkrad und den Ellbogen im Fenster, sein Dad mit seinem brillanten Sinn für Humor, sein Dad, den alle sofort mögen, sogar Wildfremde, sein Dad mit dem Weltklasselächeln, der Panoramasonnenbrille, der Krawatte mit den Comic-Hasen drauf und der coolen Locke, mit seinen Zigaretten und dem Musterkoffer, und er ruft laut: »Du bist fantastisch, Dad!«
    Bunny wirft den Kopf in den Nacken und ruft zurück: »Scheiße, Bunny Boy, ich könnte den ganzen verdammten Fahrradschuppen

Weitere Kostenlose Bücher