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Der Tod des Bunny Munro

Der Tod des Bunny Munro

Titel: Der Tod des Bunny Munro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Cave
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aus der Wohnsiedlung, und wie aus dem Nichts taucht plötzlich ein Typ auf einem Skateboard auf, mit fettigen gelben Haaren, die unter einer knallroten Baseballkappe hervorgucken, und diversen Chrom-Labrets in nahezu allen Sinnesorganen. Er trägt ein grünes T-Shirt, auf dem ›Lick My Kunst‹ steht, und schert halsbrecherisch vor dem Punto ein. Bunny hupt, und der Junge antwortet mit einer schnellen Aufwärtsbewegung des Mittelfingers. Bunny kurbelt das Fenster runter und brüllt: »Sk8ter boi«, wobei er unwillkürlich an Avril Lavigne denken muss, und dann an Avril Lavignes Muschi. Ihm fällt ein, dass Poodle gesagt hat, er hätte irgendwo im Internet gelesen, Avril Lavigne sei eine »echt durchgeknallte Braut«. Muss sie auch sein, bei dem krassen Kajal, denkt Bunny.
    Er biegt in den Kreisverkehr ein und hupt noch einmal, diesmal wegen eines braunen ›DUDMAN‹-Betonmischers, der volles Rohr auf den Punto zuprescht. Er rauscht vorbei, und aus dem Fahrerfenster hängt ein tätowierter Arm mit ausgestrecktem Mittelfinger.
    »Mann«, flucht Bunny, »die haben ja alle ein Rad ab!«, biegt in eine Tankstelle ein und tankt den Punto voll. Dann fährt er zum Büro von Eternity Enterprises, ein vollgestopftes Zimmerchen an der Western Road über einer Videothek, wo man sich gleichzeitig mit billigem Bier eindecken kann. Bunny stellt sich auf einen Behindertenparkplatz und macht den Motor aus.
    »Warte hier, Bunny Boy, ich bin gleich zurück«, sagt er und quetscht sich aus dem Wagen. Bunny Junior findet, mit dem Anzug und dem Musterkoffer sieht sein Dad wie ein richtiger Draufgänger aus.
    »Okay, Dad«, antwortet Bunny Junior und rückt seine Sonnenbrille gerade. »Ich warte hier.«
    Bunny will über die Straße gehen, dreht sich aber dann nochmal um und steckt den Kopf zum Fahrerfenster hinein.
    »Wenn eine Politesse vorbeikommt, tu so, als wärst du ein Spasti oder so.«
    »Mach ich, Dad.«
    Der Junge sieht zu, wie sein Dad die Straße überquert, und findet, dass irgendwas an der Art, wie er durch die Welt geht, wirklich beeindruckend ist. Autos kommen mit quietschenden Reifen zum Stehen, die Fahrer schütteln die Fäuste, stecken fluchend den Kopf zum Fenster raus und hupen, und sein Dad spaziert einfach weiter, als wäre er von einem übermenschlichen Kraftfeld umgeben oder den Seiten eines Comics entsprungen. Die Welt kann ihm nichts anhaben. Er scheint der Hauptgenerator irgendeiner unheimlich starken Art von Elektrizität zu sein.
    »Jetzt geht’s rund!«, sagt Bunny Junior nur zu sich selbst.
    Bunny geht über die Straße und sieht eine junge Mutter oder ein Au-pair-Mädchen, das wie gebannt auf ein Filmposter von Seabiscuit – Mit dem Willen zum Erfolg im Schaufenster der Videothek starrt. Das kleine Mädchen im Buggy, dessen Gesicht mit irgendwas Neongrünem beschmiert ist, hält eine Barbie oder eine Bratz-Puppe in der Hand und zappelt in seinem Sicherheitsgeschirr.
    »Ausgezeichnet«, sagt Bunny.
    Die Frau hat ein paar Sommersprossen im Nacken und einen hervorspringenden Knorpelhöcker auf dem Nasenrücken. Sie trägt ein T-Shirt ohne Logo und schwarze Havaianas, und ihre Zehennägel sind pflaumenfarben lackiert. Sie dreht sich um und sieht Bunny an, unter den Augen dunkle Ringe.
    »Hä?«, sagt sie.
    Bunny deutet mit dem Kopf auf das Poster.
    »Der Film«, sagt er.
    »Mhm?«, sagt die Frau.
    Dann sieht Bunny das Kind an, das sich in seiner Zelle der Verwüstung windet und die Bratz-Puppe mit der speckigen, kleinen Faust umklammert. »Diese Kin der werden ihrer Kindheit beraubt«, sagt er. Er beugt sich zu dem kleinen Mädchen runter, legt ihm die Fingerspitzen auf den Kopf und lächelt die Frau an. »Die armen Kleinen.«
    Die Frau beugt sich über den Buggy und geht, und Bunny beobachtet ihren gebückten und hastigen Rückzug.
    »Eindeutig eine Mutti«, murmelt er in sich hinein.
    Er drückt auf den Knopf der Gegensprechanlage von »Eternity Enterprises«.
    »Wer ist da?«, schnarrt eine Roboterstimme durch die Sprechanlage, und Bunny sieht hoch zu der Videokamera über dem Eingang und zeigt ihr den Stinkefinger. Der Monitor quäkt, und Bunny tritt ein. Er rennt die Treppe hoch, nimmt zwei Stufen auf einmal und geht durch einen nasskalten, niedrigen Gang zu einer Tür, auf der in halbfetter Fraktur ›ETERNITY ENTERPRISES‹ steht. Ohne anzuklopfen drückt er die Klinke und tritt ein.
    Geoffrey sitzt wie ein furchtbar schiefgelaufenes Cyber-Experiment aus der Hölle auf seinem Drehstuhl – die

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