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Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden

Titel: Der Tod des Chefs/Mord mit doppeltem Boden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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und
erklärte, was ich entdeckt hatte. Als ich fertig war, führte Vic sie hinüber in
den Saal.
    Ich setzte mich wieder hin. Trank noch
etwas Champagner. Ich hatte am Morgen nicht gefrühstückt und spürte den Alkohol
bereits. Automatisch schenkte ich mir wieder ein und hob die Tasse an die
Lippen.
    »Geben Sie mir die lieber«, sagte Vic.
»Sonst sind Sie am Ende noch betrunken. Das würde einen schönen Eindruck auf
die Polizei machen. Morgens um zehn!«
    Ich sah ihn an und kicherte.
    »Großer Gott!« Vic riß mir die Tasse
fast aus der Hand.
    Ich kicherte wieder.
    Die Tür öffnete sich, und ein Mann
mittleren Alters kam herein. Er war ein Anglo und alles an ihm war braun — das
Haar, das sonnengebräunte Gesicht, der Anzug, die Schuhe, sogar die Ränder
seiner Sonnenbrille. Er sah mich mit scharfem Blick an, und mir blieb das
Kichern im Hals stecken. »Haben Sie die Sache gemeldet?« fragte er.
    »Ja.« Ich wollte aufstehen, hielt es
dann aber für klüger, sitzen zu bleiben.
    »Das ist Elena Oliverez, unser
Kurator«, erklärte Vic. »Ich bin Vic Leary, der Geschäftsführer.«
    »Lieutenant Dave Kirk. Mordkommission.«
Er bot mir nicht die Hand.
    »Mordkommission?« wiederholte ich.
»Aber — « Ein Schluckauf unterbrach mich.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Vic mit
einem zornigen Blick auf mich. »Mr. de Palma ist verunglückt. Der Lebensbaum — «
    »Wir müssen bei allen ungewöhnlichen
Todesfällen ermitteln. Wer hat ihn gefunden?«
    Ich wurde rapide wieder nüchtern.
»Ich.«
    »Erzählen Sie.«
    Ich erzählte.
    Kirk nickte und wandte sich an Vic.
»Gehen wir in den Saal.«
    Als die beiden Männer gegangen waren,
griff ich automatisch wieder nach der Tasse, die Vic auf den Aktenschrank
gestellt hatte, aber ich setzte sie gleich wieder ab. Die Mordkommission! Ich
stand auf und ging in den Hof.
    Es waren ungefähr zwanzig Reporter und
Kameraleute da, von den Zeitungen und von der örtlichen Fernsehstation. Die
Schüsseln mit den Erdbeeren waren zur Hälfte geleert, und ein Ehrenamtlicher
goß frische Bowle auf. Isabel stand wie ein Wachhund beim Portal zu den
Ausstellungsräumen. Sie fuhr zusammen, als ich zu ihr trat und ihr die Hand auf
den Arm legte.
    »Vic hat es mir gesagt«, flüsterte sie.
»Was sollen wir denn jetzt mit ihnen anfangen?« Sie wies auf unsere Gäste.
»Versorgen Sie sie mit Champagner. Der Rundgang kann natürlich nicht
stattfinden. Früher oder später muß jemand eine Erklärung abgeben.«
    »Wer denn?«
    »Ich wahrscheinlich.«
    Mir schoß der Gedanke durch den Kopf,
daß ich Carlos Bautista anrufen sollte, den Vorsitzenden unseres
Verwaltungsrats. Ich gab Isabel einen beruhigenden Klaps auf die Schulter und
ging ins Büro zurück. Dann fiel mir ein, daß Carlos zur Zeit im Urlaub in
Acapulco war. Wen sonst sollte ich informieren? Die anderen
Verwaltungsmitglieder hatten bei weitem nicht sein Format. Sie würden höchstens
in helle Panik geraten. Es würde also alles an mir hängenbleiben.
    Die Tür ging auf, und Lieutenant Kirk
kam herein. Er blieb stehen und musterte mich stumm. Sein Gesicht war
ausdruckslos.
    »Die Leute von der Spurensicherung sind
unterwegs«, sagte er schließlich. »Gibt es einen Zugang zu den
Ausstellungsräumen, wo sie von den Presseleuten nicht gesehen werden können?«
    Ich überlegte. »Durch den hinteren
Hof?« sagte ich.
    »Gleich, wie.«
    Ich führte ihn durch Franks Büro in den
ummauerten Innenhof und holte den Schlüssel zum Vorhängeschloß am Tor aus
meiner Tasche.
    »Auf diesem Weg kommt man direkt zum
Parkplatz bei der Laderampe.« Ich deutete auf den schmalen Durchgang und das
Tor. »Ihre Leute können da draußen parken. Wenn sie hier hereinkommen, kann
keiner sie sehen.«
    »Gut.«
    Wir gingen durch den Innenhof zu den
Büros zurück. Eine der Azaleen, welche sich ganz nahe am Bürofenster befand,
war umgefallen. Das Museum begann schon, ordentlich aus den Fugen zu gehen. Ich
hielt nach dem Pfahl Umschau, um die Pflanze wieder aufzurichten, aber ich sah
ihn nirgends. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich weinte nicht um Frank.
Sein Tod änderte nichts an der Tatsache, daß ich ihn nicht gemocht hatte. Ich
weinte um das Museum, für das dieses Unglück vielleicht einen schweren
Rückschlag bedeuten würde. Und ich weinte auch um mich selbst. Ich wußte nicht,
ob ich den bevorstehenden Aufgaben gewachsen sein würde.
    Lieutenant Kirk blieb an der Tür stehen
und sah mich an. Ich straffte die Schultern und wischte mir die Tränen

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