Der Tod ist kein Gourmet
hätte ich das versäumen wollen.« Hicks. Wenn sie keinen Schluckauf hätte, müsste sie vor Lachen losprusten. Da passte doch ein Schluckauf wesentlich besser zu einer Beerdigung. Das war zwar auch nicht ganz angemessen, aber zumindest kicherte sie nicht.
Plötzlich gab der gesamte Boden des Sargs nach. Sean O’Brian landete unsanft auf dem Rasen.
Überraschte Ausrufe waren von den Leuten zu hören, die sehen konnten, wie er bekleidet war. Wer nichts mitbekommen hatte, drängte sich vor, denn niemand wollte diesenAnblick verpassen, über den man sich beim nächsten Seniorentreff das Maul zerreißen konnte.
Einige kicherten. Andere hielten erschreckt die Luft an.
Honeys Schluckauf hörte sofort auf. Sie verbarg ihr Gesicht und ihr Lachen hinter vorgehaltenen Händen. Sie konnte ihren Augen einfach kaum trauen.
Manche Leute bestehen darauf, im besten Sonntagsstaat beerdigt zu werden. Militärs ziehen die Uniform vor, in der sie ihrem Vaterland gedient haben. Sean hatte sich sozusagen für seine ganz eigene Uniform entschieden. Genau wie das aufgedruckte Bild auf der Außenseite seines Sargs war er im unverwechselbaren Blau und Rot von Superman gekleidet. Ohne dessen Körperbau zu besitzen, allerdings. Seans Beine waren spindeldürr, sein Hinterteil dafür umso ausladender. Das lange Haar war wie ein Kissen unter seinem Kopf zusammengeballt.
Honey zog sich den Hut noch tiefer ins Gesicht und tat ihr Möglichstes, um nicht laut loszuprusten, obwohl sie bei weitem nicht die Einzige war, die den Anblick erheiternd fand. Überall hielten die Leute die Luft an oder lachten fröhlich. Die Witwe drückte sich ein Taschentuch vor den Mund und war puterrot geworden. Offensichtlich hatte Sean testamentarisch festgelegt, in welcher Kleidung er beerdigt werden wollte. Die schamroten Wangen der Witwe ließen darauf schließen, dass er dieses Outfit vielleicht auch im Leben getragen hatte – unter Umständen sogar im Schlafzimmer.
»Ich habe Klebeband«, sagte der Mann, der den Hersteller des Pappsargs vertrat. Er machte sich daran, den Boden des Sargs wieder zusammenzukleben.
»Legen Sie ihn langsam und vorsichtig rein«, wies er die Sargträger an.
Inzwischen strömten Honey die Lachtränen über das Gesicht.Sie hielt sich ein zusammengeknülltes Taschentuch vor den Mund. Da konnte keine Fernsehkomödie mithalten!
Ihre Mutter stieß ihr einen knochigen Ellbogen in die Rippen. »Hannah! Etwas mehr Respekt, bitte!«
Keine Chance. Honey musste einfach weiterlachen. Aber da bemerkte sie die Schreckensmiene des Pfarrers. Mit kugelrunden Augen starrte er in die Grube. Die langen weißen Finger hatte er vor den weit offenen Mund geschlagen.
»Da unten liegt schon jemand.« Diese Bemerkung hatte er an den Küster gerichtet, der wohl nebenher für die Leute arbeitete, denen die Friedwiese gehörte.
Eine Windbö wehte Honey Wassertropfen von den nahegelegenen Bäumen ins Gesicht, aber sie bewegte sich keinen Zentimeter. Irgendetwas stimmte hier nicht. Es war etwas geschehen, das nicht eingeplant gewesen war.
Der Küster ging am Rand der Grube in die Hocke, schließlich auf alle viere, um hineinschauen zu können, ohne selbst hineinzufallen. Als er wieder aufstand, war er bleich und blickte verwirrt zum Pfarrer.
»Es sieht aus wie ein Gorilla«, sagte er.
Er nahm die Brille ab und polierte sie mit einem Tuch.
Nun sah auch jemand anders, ein etwas jüngerer Trauergast mit besseren Augen, in die Grube.
»Scheint irgendwie pelzig zu sein.«
Honey war neugierig geworden, wer oder was da wohl zu sehen war, trat vorsichtig und mit einer unguten Vorahnung ein paar Schritte vor und linste über den Rand.
»Das ist kein Gorilla. Das ist ein Teddybär. Es ist Teddy Devlin.«
Die versammelte Gemeinde schaute sie an, als hätte sie komplett den Verstand verloren.
»Es ist ein Teddybär«, erklärte sie. »Ich bin mir ziemlichsicher, dass es der ist, den die Devlin Foundation vermisst. Das ist eine Wohltätigkeitsorganisation. Die benutzen den Bär beim Spendensammeln. Sie müssen den doch in Bath gesehen haben, wenn Sie dort einkaufen waren.«
Der Pfarrer machte ein verdutztes Gesicht. »Was hat der denn da unten zu suchen?« Seine Frage war an den Küster gerichtet.
Der seufzte, als läge die Verantwortung schwer auf seinen Schultern. »Ich weiß es nicht, Euer Hochwürden.«
»Dann steigen Sie bitte hinunter und finden es heraus. Vielmehr, holen Sie das Ding da raus. Es sollte da nicht herumliegen.«
Die Augen des Pfarrers
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