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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Schreibtisch herum, schaltete wütend den elektrischen Ofen ein und fing an, hin und her zu laufen. Nach einer Weile setzte ich mich wieder, zog ein Blatt Papier heran und schrieb: "Mein lieber Setzler! Würden Sie mir Ihre Pistole leihen?"
    Ich klingelte der Ordonnanz, übergab ihm das Billett, und zwei Minuten später kam er mit der Pistole und einem Zettel zurück: "Mit besten Empfehlungen von Obersturmführer Setzler."
    Setzlers Waffe schoß bemerkenswert genau, und die Offiziere des KZ liehen sie oft bei ihm aus, um damit zu üben. Ich bestellte meinen Wagen und ließ mich zum Schießstand fahren. Ich schoß ungefähr eine Viertelstunde lang auf verschiedene Entfernungen, auf feste und bewegliche Ziele. Ich steckte die Pistole wieder in die Pistolentasche, ließ mir die Schachtel bringen, in der man meine Schießkarten verwahrte, und verglich die neue mit den früheren Serien: Ich hatte mich verschlechtert. Ich ging, blieb aber vor dem Schießstand stehen. Es hatte wieder zu schneien angefangen, und ich fragte mich, ob ich nicht in mein Büro zurückkehren sollte. Ich sah auf die Uhr. Es war halb acht. Ich bestieg den Wagen und sagte Dietz, er solle mich nach Hause fahren. Das Haus war hell erleuchtet. Ich betrat mein Arbeitszimmer, legte das Koppel auf den Tisch und hängte den Mantel und die Mütze an den Kleiderhaken. Dann wusch ich mir die Hände und ging ins Eßzimmer . Elsie, Frau Müller und die Kinder saßen bei Tisch. Nur die Kinder aßen, Frau Müller war die Lehrerin, die wir aus Deutschland hatten kommen lassen. Es war eine Frau mittleren Alters, grauhaarig und ganz annehmbar . Ich blieb auf der Schwelle stehen und sagte: "Ich bringe euch Schnee mit."
    Der kleine Franz blickte auf meine Hände und sagte mit seiner hellen, niedlichen Stimme: "
    Wo ist er?"
    Karl und die beiden Mädchen fingen an zu lachen. "Papa hat ihn vor der Tür gelassen", sagte Elsie, "er war zu kalt, Papa konnte ihn nicht mit hereinbringen."
    Karl lachte wieder. Ich setzte mich neben Franz und sah ihm beim Essen zu. "Ach", sagte Frau Müller, "ein Weihnachten ohne Schnee. .."
    Sie unterbrach sich und warf verlegene Blicke um sich, als ob sie aus der Rolle gefallen wäre. "Aber gibt es denn Weihnachten ohne Schnee?"
    fragte Hertha. "Sicher!"
    sagte Karl. "In Afrika gibt es überhaupt keinen Schnee."
    Frau Müller hustete. "Außer auf den Bergen natürlich."
    Karl wiederholte keck: "Natürlich."
    "Ich kann den Schnee nicht leiden", sagte Katharina. Sobald Franz mit dem Essen fertig war, nahm er mich bei der Hand, um mir den schönen Tannenbaum im Salon zu zeigen. Elsie schaltete den Kronleuchter aus, betätigte den Schalter, und im Baum leuchteten kleine Sterne auf. Die Kinder betrachteten ihn eine ganze Weile.

    Dann erinnerte sich Franz an den Schnee und wollte ihn sehen. Ich warf Elsie einen Blick zu, und sie sagte bewegt: "Sein erster Schnee."
    Ich schaltete die Ampel auf der Terrasse ein und öffnete die Läden der Glastür. Die Flocken tanzten weiß und flimmernd um die Lampe. Nachher wollte Franz die Vorbereitungen für den Empfang sehen, und ich ließ sie alle einen Augenblick in die Küche gehen. Der große Tisch war über und über mit Bergen von belegten Broten und Kuchen bedeckt. Jeder bekam ein Stück Kuchen, und sie gingen zum Schlafen nach oben. Es war ausgemacht, daß man sie um Mitternacht wecken würde und daß sie ihren Anteil am Nachtisch bekommen und mit den großen Leuten ,,O Tannenbaum"
    singen sollten. Ich ging auch hinauf und wechselte die Uniform. Dann ging ich wieder hinunter in mein Arbeitszimmer, schloß mich dort ein und blätterte in einem Buch über Pferdezucht, das Hagemann mir geliehen hatte. Nach einer Weile dachte ich an den Bruch und fühlte, wie mich Trauer überkam. Ich klappte das Buch zu und fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen. Wenig später holte mich Elsie, und wir nahmen an einer Ecke des Eßzimmertisches einen kleinen Imbiß ein. Elsie war im Abendkleid, und ihre Schultern waren nackt. Als wir fertig waren, gingen wir in den Salon hinüber, sie zündete überall Kerzen an, löschte den Kronleuchter und setzte sich ans Klavier. Ich hörte Elsie zu. Elsie hatte in Dachau angefangen, Klavierstunden zu nehmen, als ich zum Offizier ernannt worden war . Zehn Minuten vor zehn schickte ich meinen Wagen zu Hagemanns, und pünktlich um zehn Uhr kamen Hagemanns und Picks an. Dann fuhr der Wagen wieder weg, um Bethmanns, Schmidts und Frau Setzler zu holen. Als alle da waren, ließ ich Dietz

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