Der Tod ist mein Beruf
blickte mich bestürzt an. "Aber hör mal, hör mal. ..", stammelte er. Ich blieb schweigend und unbeweglich sitzen, die Mündung des Karabiners auf ihn gerichtet. Er ließ langsam das Maschinengewehr nieder, setzte sich wieder dahinter und blickte weg. Ich legte meinen Karabiner über die Knie, die Mündung auf ihn gerichtet, und legte einen neuen Streifen in das Maschinengewehr ein. Schmitz sah mich an, öffnete den Mund, seine Porzellanaugen blinzelten mehrere Male, dann lehnte er seine rundliche Backe an die Waffe und fing wieder an zu schießen. Einige Sekunden später hagelte es um uns herum Granaten, die uns jedesmal mit Sand überschütteten. Das Maschinengewehr fing an zu rauchen, und ich sagte: "Halt!"
Schmitz hörte mit Schießen auf und sah mich an. Ich ließ meine rechte Hand auf dem Karabiner liegen, ergriff mit der linken meine Feldflasche, machte sie mit den Zähnen auf und goß den Inhalt über den Lauf. Sobald das Wasser aud das Metall traf, verdampfte es mit Gezisch. Der Feind schoß nicht mehr her. Schmitz war in sich zusammengesunken. Er sah mir zu,ohne etwas zu sagen. Schweiß rieselte langsam zu beiden Seiten seines Mundes herunter Er sagte schüchtern: "Laß mich gehen!"
Ich schüttelte verneinend den Kopf. Er strich mit der Zunge über seine Lippen, wandte die Augen weg und sagte mit tonloser Stimme: "Ich lass' dir das Maschinengewehr da. Laß mich gehen."
"Du kannst gehen, wenn du willst. Ohne deinen Karabiner."
Er öffnete den Mund und sah mich an. "Du bist verrückt! Ich brauche ihn für den Fall, daß sie mich erschießen wollen."
Da ich schwieg, fuhr er fort: "Warum denn ohne Karabiner?"
"Ich will nicht, daß du mich hinterrücks erschießt, dann zurückkommst und das Maschinengewehr holst."
Er sah mich an. "Ich schwöre dir, daß ich daran nicht gedacht habe."
Er blickte beiseite und sagte mit der leisen, flehenden Stimme eines Kindes: "Laß mich gehen!"
Ich legte wieder einen neuen Streifen ein, es knackte, er hob den Kopf und sah mich an. Dann, ohne ein Wort zu sagen, lehnte er seine runde Backe an die Waffe und schoß. Es regnete wieder Granaten. Sie schlugen mit hartem Krachen hinter uns ein, und jedesmal klatschte der Sand schaufelweise auf unsere Rücken. Mit ganz gewöhnlicher Stimme sagte Schmitz: "Ich sitze schlecht."
Er hob wieder den Kopf, rückte sich zurecht, warf dann plötzlich die Arme in die Luft wie ein Hanswurst und fiel auf mich drauf. Ich drehte ihn um. Er hatte mitten in der Brust ein großes schwarzes Loch, und ich war von seinem Blut überströmt. Schmitz war groß und schwer, und es machte mir viel Mühe, ihn nach hinten zu ziehen. Als ich es geschafft hatte, nahm ich seine Feldflasche und die von Becker, goß beide über dem Maschinengewehr aus und wartete. Das Maschinengewehr war noch zu heiß zum Schießen. Ich betrachtete Schmitz. Er lag der Länge nach auf dem Rücken. Seine halbgeschlossenen Augen gaben ihm das Aussehen jener Puppen, die ihre Augen öffnen, wenn man sie aufsetzt. Ich schleppte das Maschinengewehr zweihundert Meter höher in ein engeres und etwas tieferes Loch, machte es fertig und legte meine Backe daran. Ich fühlte mich allein, das Maschinengewehr glänzte zwischen meinen Beinen, und ein Gefühl der Befriedigung überkam mich. In etwa achthundert Meter Entfernung sah ich plötzlich Hindus sich mit einer Langsamkeit vom Boden erheben, die mir komisch vorkam, und in leichtem Laufschritt in langer Reihe, fast parallel zu mir, vorgehen. Ich sah deutlich ihre langen, dürren Beine sich bewegen. Hinter ihnentauchte eine zweite Linie auf, dann eine dritte. Ich hatte sie alle im Längenfeuer. Ich zielte etwas vor die erste Reihe und drückte auf den Abzug. Während des Schießens verlegte ich das Feuer von vorn nach hinten, dann wieder nach vorn und noch einmal nach hinten. Dann stoppte ich. Genau in diesem Augenblick fühlte ich so etwas wie einen heftigen Faustschlag gegen die linke Schulter. Ich fiel nach hinten, aber ich setzte mich sofort wieder auf. Ich blickte auf meine Schulter, sie war mit Blut befleckt, ich fühlte keinen Schmerz, aber ich konnte den Arm nicht bewegen. Ich nahm ein Verbandspäckchen in die rechte Hand, riß es mit den Zähnen auf und schob es zwischen Bluse und Schulter. Sogar bei der Berührung fühlte ich nichts. Ich überlegte und dachte, es wäre jetzt der gegebene Augenblick, sich zurückzuziehen und das Maschinengewehr mitzunehmen. Während des Zurückkriechens sah ich auf einer Anhöhe vor einer Gruppe
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