Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
rutschen.
»Nein«, verkündet er das Resümee. Und jetzt schau, dass du Land gewinnst, lautet die nonverbale Botschaft.
»Noch was«, sagt der Sandner ungerührt, »gestern haben wir über meinen Spezl, den Fuhrer Bene geredet, und Sie haben gemeint, der ist es nicht gewesen.«
Aus dem Hintergrund krächzt eine männliche Stimme. »Wer ist denn gekommen, Balthasar?«
Der Hofer dreht den Kopf zur Seite.
»Niemand, passt schon«, bescheidet er seinem Gast, um sich dann dem Sandner wieder zuzuwenden – abschließend. »Ich weiß nimmer, was ich gestern alles dahergeredet hab. An Schmarrn halt. Vergessen Sie des, ist lang her.«
Und die Tür ist zu. Der Sandner schmiegt sein Ohr ans Holz.
»Was schaust du so zwider?«, hört er eine Stimme fragen und dann Gebrumm.
»Ein deppertes Rindviech bin ich. Aufgeschnappt hat er was. Neugieriger Gleufi.«
»Was?«
»An Schmarrn halt. Wer sollt ...« Die Stimmen entfernen sich aus dem Flur. Nichts mehr zu erlauschen. Von der Tür gegenüber hört er ein Geräusch. Der Lauscher ist belauscht worden. Der hat den Rat des Wilhelm Busch beherzigt: »Wer zusieht, sieht mehr, als wer mitspielt«. Doch was wird überhaupt gespielt, und wer hat das Regelheft eingeschoben? Ein Rindviech? Was soll er wissen?
Der »Niemand« dreht sich um und nickt lächelnd Richtung Türspion. Ein Kratzen ist zu hören, dann Stille. Pfeifend trampelt der Polizist die Treppen wieder hinab und tritt ins Freie.
Seine Jacke fährt an ihm vorbei. Auf einem Mountainbike.
» W as kann ich für Sie tun?«
Irgendwie hat die Wiesner sich das leichter vorgestellt. Dass dem Weißkittel das Schuldbewusstsein angeschrieben steht auf dem Hirn. Oder, dass der Geifer ihm aus dem Maul tropft. Nichts. Der Blick, den er ihr schenkt, ist neutral, kein Taxieren, kein visuelles Abgrapschen. Dass sie ein Dirndl ausfüllen könnte, will er ihr auchnicht kundtun. Ein dummdreister Schwollschädel ist das nicht.
Vertrauensvoll deine Hauer anvertrauen könntest du dem freundlichen Vierziger. Lachfältchen, ein bisserl Übergewicht, die hellbraunen, spärlichen Haare sprießen wie verstreute Büsche aus karger Steppe. Der sympathische Mann von nebenan. Wobei sie aus Erfahrung weiß, unter der Kategorie »Sauhund« ist selten einer gewesen, der die dazugehörige Optik mitgebracht hätte.
Was kann er für sie tun?
»Wir sind bei Ermittlungen in einem Mordfall auf eine Frage gestoßen, die Sie bestimmt beantworten können.«
»Nur zu.« Sein Gesicht bekommt ein neugierig-zugewandtes Lächeln aufgepappt. Die Augen bleiben ernst. Er bleibt in Deckung.
»Eine Frau Fuhrer ist bei Ihnen in Behandlung.«
»Auch Zahnärzte unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht«, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Wachsam ist er, wie der Hütehund unter Lämmern. Zeit, dem Köter das Fell über die Ohren zu reißen.
»Das war eine Feststellung, keine Frage.«
Das Lächeln verzieht sich. Sein Oberkörper kommt in Bewegung. Er fasst sich kurz an die Nase. Der Name Fuhrer scheint keine angenehme Erinnerung zu wecken. Er überlegt wohl, was sie wissen könnte. Damit hält sie nicht hinter dem Berg. Frontalangriff.
»Wir wissen, dass die Frau Fuhrer Sonderkonditionen bei Ihnen hatte.«
Weit aus dem Fenster gelehnt, vom Wissen ist sie weit entfernt. Tagesreise.
»Hat sie das gesagt? Würde mich wundern. Aber manchmal komme ich den Patienten ein bisschen entgegen, wenn sie es arg knapp haben. Ich sollte das nicht, aber ...«
»Schauen’S, Herr Doktor Gruber, ich bin nicht wegen der Berufsethik da. So was machen andere – hoffentlich. Ein Mann ist erstochen worden, nachdem er ausgeplaudert hat, wie es in Ihrer Praxis zugeht. Wir wissen beide, wovon ich rede. Wessold hieß der. Und wir fragen uns, ob Sie den Mann auch gekannt haben.«
»Sie behaupten einfach irgendetwas. Wessold, sagen Sie? Ich hab was mitbekommen. Ist aber schon lange her. Der Mörder ist doch in Haft, oder?«
»Herr Doktor, das ist nicht kooperativ. Ich gebe Ihnen zwei Minuten, dann geh ich wieder. Und ich red mit ein paar Journalisten, such mir eine Patientin von Ihnen, die eidesstattlich aussagt, und schick der Ärztekammer einen Brief. Jetzt sind es noch eineinhalb Minuten.«
»Das ist nicht so, wie Sie denken. Ich sag Ihnen das nicht, weil ich muss. Sondern damit Sie das verstehen. Ich muss mir nichts vorwerfen lassen.«
Durch diese Formel eingeleitet, ist es garantiert haargenau so, wie sie es sich gedacht hat. Es klingt nach dem, was sie hören
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