Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11 September Ausgezeichnet mit dem Pulitzer Prize 2007
schließlich nach Ägypten zurückkehren und dort die Macht übernehmen sollte.
Sawahiri reiste zusammen mit einem Anästhesisten und einem plastischen Chirurgen nach Peschawar. „Wir waren die ersten drei Araber, die dorthin kamen, um Hilfsdienste zu leisten“, behauptete Sawahiri später. Er blieb vier Monate in Pakistan und arbeitete dort für den Roten Halbmond, den islamischen Arm des Internationalen Roten Kreuzes.
Der Name Peschawar stammt aus dem Sanskrit und bedeutet „Stadt der Blumen“, was vielleicht zu buddhistischen Zeiten noch gestimmt hat, doch die Stadt hatte schon lange jegliche Eleganz eingebüßt. Peschawar liegt am östlichen Ende des Khyber-Passes, der historischen Einfallschneise, die seit den Zeiten Alexanders des Großen und Dschingis Khans sämtliche Invasionsarmeen genutzt hatten, die in der ethnisch vielfältigen Bevölkerung ihre Spuren hinterließen. Peschawar war ein bedeutender Außenposten des britischen Empire, der letzte Haltepunkt vor einer ausgedehnten Wildnis, die sich bis nach Moskau erstreckte. Als die Briten 1947 abzogen, sank Peschawar zu einer einfachen, aber unruhigen Provinzstadt herab. Der Krieg nun hatte die alte Stadt zu neuem Leben erweckt, und als Sawahiri ankam, tummelten sich dort zuhauf Schmuggler, Waffenschieber und Opiumhändler.
Die Stadt musste auch mit dem Zustrom entwurzelter und hungernder Afghanen fertig werden. Ende 1980 gab es bereits 1,4 Millionen afghanischer Flüchtlinge in Pakistan - und im Lauf des folgenden Jahres verdoppelte sich diese Zahl -, die zum größten Teil durch Peschawar zogen und in den nahe gelegenen Lagern Unterschlupf suchten. Viele der Flüchtlinge waren durch Landminen der Sowjets oder durch die heftigen Bombenangriffe auf Dörfer und Städte verletzt worden und benötigten dringend medizinische Betreuung. Die Verhältnisse in den Krankenhäusern und Kliniken verschlechterten sich zusehends, vor allem zu Beginn des Krieges. Sawahiri berichtete nach Hause, dass er manchmal Wunden mit Hilfe von Honig sterilisieren musste. 23
In Briefen an seine Mutter klagte er über Einsamkeit und bat sie, ihm häufiger zu schreiben. Bisweilen drückte er seine Verzweiflung auch in Gedichten aus: 24
Sie begegnete meinen bösen Taten mit Güte,
Ohne eine Gegenleistung zu verlangen …
Möge Gott meine Unzulänglichkeit tilgen und
Ihr trotz meiner Kränkungen Freude schenken …
O Herr, erbarme Dich eines Fremden
Der sich danach sehnt, seine Mutter wieder zu sehen.
AUFGRUND seiner Kontakte zu örtlichen Stammesführern konnte Sawahiri einige heimliche Ausflüge über die Grenze nach Afghanistan unternehmen. 25 Er erlebte als einer der ersten Außenstehenden, wie mutig sich die afghanischen Freiheitskämpfer, die sich „Mudschahidin“nannten - Glaubenskrieger -, in den Kampf warfen. Im Herbst kehrte Sawahiri nach Kairo zurück, voller Geschichten über die „Wunder“, die sich im Dschihad gegen die Sowjets ereigneten. Über diesen Krieg wusste man nicht viel, nicht einmal in der arabischen Welt, obwohl es der weitaus blutigste Konflikt in den achtziger Jahren war. Sawahiri trat an Universitäten auf und warb Kämpfer für den Dschihad. 26 Er hatte sich einen Bart wachsen lassen und trug nun pakistanische Kleidung - ein langes Obergewand über einem weiten Beinkleid.
Zu diesem Zeitpunkt gab es erst eine Hand voll arabischer Freiwilliger, und als eine Delegation der Mudschahidin-Führer nach Kairo kam, nahm Sawahiri seinen Onkel Mahfous mit zu ihrem Treffen im Shepheard-Hotel. Die beiden Männer unterbreiteten den Afghanen einen Vorschlag, der von Abdallah Schleifer stammte. Der war enttäuscht darüber, dass die westlichen Nachrichtenagenturen nicht nahe genug an das Kriegsgeschehen herankamen. Er hatte Sawahiri gebeten, ihm drei junge Afghanen zu vermitteln, die er zu Kameramännern ausbilden konnte. Sie sollten die Informationen beschaffen, die Schleifer aufbereiten und kommentieren wollte. Aber er warnte Sawahiri auch: „Wenn es nicht richtig knallt, kriegen wir die Geschichten nicht unter.“
Kurze Zeit später suchte Schleifer Sawahiri auf, um sich zu erkundigen, was er in dieser Angelegenheit unternommen habe. Sein Freund gab sich sehr zugeköpft und reagierte ausweichend. Sawahiri erklärte zu Beginn ihres Gesprächs, dass die Amerikaner der Feind seien, den man bekämpfen müsse. „Ich verstehe nicht“, erwiderte Schleifer. „Sie sind gerade aus Afghanistan zurückgekehrt, wo Sie mit den Amerikanern zusammengearbeitet
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