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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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konnte einfach
nicht sein!
Der Nubier richtete sich wieder auf, hielt aber jetzt einen
respektvollen Abstand zu ihm ein. Er sprach nicht mehr,
sondern wartete geduldig, bis Andrej von sich aus das quälende
Schweigen brach.
Es dauerte lange, sehr lange. Andrej konnte hinterher nicht
sagen, wie viel Zeit vergangen war, bis er endlich aus seiner
Starre erwacht war und die Hand vom Körper des toten
Mädchens gelöst hatte. Als er sich aufrichtete, schmerzten seine
Muskeln vor Verspannung. Abu Dun saß ein halbes Dutzend
Schritte entfernt an einen Baum gelehnt und kaute auf einem
Stück Fladenbrot herum, das er aus seiner Satteltasche geholt
hatte. Dieser Anblick versetzte Andrej in rasende Wut. Dass
Abu Dun jetzt aß, kam ihm würdelos vor.
Der Nubier schien seine Gedanken zu erraten, denn er ließ
sofort das Brot sinken, schluckte den letzten Bissen hinunter
und stand auf. »Wir müssen sie begraben«, sagte er.
Andrejs Zorn war schon wieder verraucht. Er sah auf das tote
Mädchen hinab und nickte. Er fühlte sich leer. Das Gefühl, dass
etwas Schreckliches geschehen war, das er beim Aufwachen
gehabt hatte, hatte sich bewahrheitet. Er hatte Alessas Nähe in
sich gespürt, so wie er stets die Nähe eines anderen
Unsterblichen gespürt hatte. Nun war dieses Gefühl fort, und in
ihm herrschte eine tiefe, fast körperlich schmerzende Leere. Mit
Alessa schien ein Teil von ihm gestorben zu sein.
»Ich verstehe das nicht«, flüsterte er. »Warum?«
Abu Dun zuckte nur mit den Schultern. Wenn Andrej es nicht
wusste, woher sollte der Nubier die Antwort kennen?
Immerhin versuchte er, eine Erklärung zu finden. »Wir
wissen nicht genau, was sie ihr angetan haben«, sagte er mit
leiser, mitfühlender Stimme.
»Vielleicht haben sie sie vergiftet.«
»Man kann uns nicht vergiften«, sagte Andrej.
»Immerhin kannst du dich betrinken, wie du oft genug
bewiesen hast«, sagte Abu Dun trocken. »Das ist auch eine Art
von Vergiftung, oder?«
»Bitte, Abu Dun«, sagte Andrej leise. »Mir ist nicht nach
Scherzen.«
»Das sollte auch kein Scherz sein«, antwortete der Nubier.
»Wenn es etwas gibt, das dich umbringen kann, dann
interessiert es mich. Dich sollte es übrigens auch interessieren.«
Andrej fuhr mit einer zornigen Bewegung herum und funkelte
ihn an. »Abu Dun!«
Abu Dun versuchte sich in ein Lächeln zu retten, das aber
reichlich verunglückt ausfiel. Endlich nickte er.
»Ich begrabe sie. Und danach sollten wir von hier
verschwinden. Wir sollten möglichst weit weg sein, wenn es
hell wird.«
Sie beerdigten Alessa mit Andrejs Mantel in einer flachen
Grube, die Abu Dun im Wald ausgehoben hatte. Der Nubier
hatte gewollt, dass sie ihren Körper nur mit Steinen bedeckten,
um Zeit zu gewinnen, aber Andrej hatte dieses Ansinnen empört
abgelehnt. Der Gedanke, dass wilde Tiere den Körper des
Mädchens finden und anfressen konnten, war ihm schlichtweg
unerträglich - ganz davon abgesehen, dass die Gefahr bestand,
dass der Leichnam gefunden werden und eventuelle Verfolger
auf ihre Spur bringen konnte.
Dass es Verfolger geben würde, das bezweifelten weder Abu
Dun noch Andrej. Ganz bestimmt waren die Dörfler in ihrer
Panik zum Schloss gerannt, um Beistand gegen die Dämonen zu
erflehen, die sie so feige und vollkommen grundlos angegriffen
hatten, falls man im Schloss nicht ohnehin den Feuerschein
gesehen und Truppen losgeschickt hatte. Andrej fürchtete sie
nicht. Wenn die beiden Männer, die er im Dorf erschlagen
hatte, die Schlagkraft der Truppen widerspiegelten, dann
würden Abu Dun und er auch mit einem Dutzend von ihnen
fertig werden. Aber sie konnten sich keinen Kampf leisten. Sie
hatten Siebenbürgen verlassen, um endlich ein ruhiges Leben zu
führen und vielleicht sogar Frieden zu finden, nicht, um eine
Spur aus Blut hinter sich herzuziehen. Andrej hatte sich längst
eingestanden, dass sein überstürzter Rettungsversuch vom
vergangenen Abend ein schwerer Fehler gewesen war. Abu
Dun und er waren so auffällig, dass die Kunde dessen, was sie
getan hatten, ihnen zweifellos über Tage vorauseilen würde und zweifellos würde das, was sie den unschuldigen Menschen
angetan hatten, mit jedem Mal düsterer ausgeschmückt werden,
wenn jemand die Geschichte weitererzählte.
Vermutlich würden sie das Land verlassen müssen, bevor sie
sich wieder einigermaßen sicher unter Menschen wagen
konnten.
Sie folgten dem Ufer des Sees in westlicher Richtung, bis sie
auf eine Straße stießen. Andrej war dagegen,

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