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Der Todesstoss

Der Todesstoss

Titel: Der Todesstoss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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herausgekommen.«
Andrej versuchte vergeblich, einen Unterton von Spott oder
gar einer Drohung in seiner Stimme auszumachen. Aber Birger
schien durchaus ernst zu meinen, was er sagte.
Andrej sah zu Abu Dun hoch und las die Antwort auf seine
unausgesprochene Frage überdeutlich in dessen Augen. Wenn
es nach dem Nubier gegangen wäre, dann hätte auch Andrej
längst wieder im Sattel sitzen müssen.
»Außerdem kommen nur selten Fremde nach Trentklamm«,
fuhr Birger fort.
»Wir würden uns freuen, wenn Ihr eine Nacht bleiben würdet.
Wir haben kein Gasthaus, aber in meinem bescheidenen Haus
ist Platz genug, und etwas zu essen werden wir auch finden.« Er
grinste und hatte plötzlich etwas von einem zu groß geratenen
Jungen an sich. »Ihr könnt Euch ja erkenntlich zeigen, indem
Ihr uns ein paar Geschichten von Eurer Reise erzählt. Wir
erfahren nicht viel von dem, was in der Welt vor sich geht.«
Andrej überlegte einen Moment. Abu Dun wollte
weiterreiten, und auch er selbst glaubte eine ganz leise,
mahnende Stimme tief in seinem Inneren zu vernehmen, die
ihm zuflüsterte, dass er auf Abu Dun hören und so schnell von
hier verschwinden sollte, wie es nur ging. Aber dann brachte er
diese Stimme mit einer bewussten Anstrengung zum
Verstummen und nickte.
»Warum nicht? Wir haben so lange auf dem nackten Boden
geschlafen, dass ich fast alles darum geben würde, mich wieder
einmal in einem richtigen Bett auszustrecken. Und gegen eine
warme Mahlzeit hätte ich auch nichts einzuwenden.«
»Gut«, sagte Birger. »Dann kommt mit mir. Mein Haus liegt
ganz am anderen Ende des Dorfes, aber Ihr könnt gerne reiten
und dort auf mich warten. Und ihr anderen«, fügte er mit
erhobener, deutlich schärferer Stimme hinzu, »hört auf, unsere
Gäste anzustarren, als wären sie zweiköpfige Kälber. Das ist
unhöflich.«
Andrej wusste nicht, wer Birger war und welche Stellung er
hier im Ort innehatte, aber die anderen hörten tatsächlich auf
ihn. Die Menge begann sich rasch zu verteilen. Innerhalb
kürzester Zeit war der Dorfplatz beinahe wieder menschenleer.
Nur zwei oder drei Kinder blieben zurück, die die beiden
Fremden - vor allem natürlich den schwarz gekleideten Mohren
- mit unverblümter Neugier anstarrten. Und natürlich Vater
Ludowig. Er schien noch immer von tiefem Misstrauen erfüllt
zu sein.
Andrej griff nach den Zügeln, saß aber nicht auf, sondern
ging neben Birger her, als dieser sich auf den Weg machte.
»Ihr müsst Vater Ludowigs Benehmen wirklich entschuldigen«, sagte Birger, nachdem sie einige Schritte
gegangen waren. »Er ist ein alter Mann, der allmählich
wunderlich zu werden beginnt.«
»Was hat er damit gemeint, dass ihr nichts Gutes mit
Fremden erlebt habt?«, fragte Andrej.
Birgers Gesicht verdüsterte sich. »Das ist eine schlimme
Geschichte«, antwortete er. »Wir sind überfallen worden, von
Männern, die genau wie Ihr herkamen und vorgaben, nur ein
Quartier für die Nacht und eine warme Mahlzeit zu suchen. Sie
haben beides bekommen, und sie haben es uns gedankt, indem
sie uns ausgeraubt und etliche von uns erschlagen haben.«
»Eine Räuberbande?«, fragte Abu Dun.
»Es ist lange her«, sagte Birger, ohne seine Frage direkt zu
beantworten.
»Aber seither traut Vater Ludowig keinem Fremden mehr, der
zu uns kommt.
Und schon gar keinem, der eine Waffe trägt.«
»Und … Ihr?«,fragte Andrej.
»Welchen Sinn hätte das Leben, wenn man niemandem mehr
trauen würde?«, erwiderte Birger mit einem Schulterzucken.
»Ich glaube, dass Gott die meisten Menschen gut erschaffen
hat.« Er deutete auf Andrejs Schwert und fragte: »Seid Ihr
Krieger?«
»Manchmal.« Andrej lächelte. »Wenn es sein muss.«
»Wenn es sein muss?«
»Wir haben einen weiten Weg hinter uns, und einen vielleicht
noch weiteren vor uns«, antwortete Andrej. »Ihr habt es selbst
gesagt: Die meisten Menschen sind gut. Aber leider nicht alle.«
Birger sah ihn stirnrunzelnd an, und Andrej versuchte sich
vergebens darüber klar zu werden, ob der Grund für dieses
Stirnrunzeln der war, dass er über das Gesagte nachdachte, oder
ob Birger der Umstand aufgefallen war, dass Andrej seine
Worte nicht genau wiedergegeben hatte.
»Man muss sich verteidigen«, sagte Birger schließlich. »Ihr
kommt aus dem Osten, nicht wahr? Dort wüten noch immer die
Türken. Ist es wahr, dass sie auch hierher kommen werden?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Andrej ausweichend. »Aber
selbst wenn, dann wird es noch sehr lange dauern.

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