Der Todschlaeger
wie
Kanonenkugeln; sie schwollen an, und sie
magerten ab, bloß um ihn zu ärgern. Auf
einmal schrie er:
»Oh, die Ratten! Jetzt sind die Ratten da!«
Das waren die Kugeln, die zu Ratten wurden.
Diese dreckigen Tiere wurden fett, drangen
durch das Netz, sprangen auf die Matratze, wo
sie sich verflüchtigten. Es war auch ein Affe
da, der aus der Wand herauskam, der wieder in
die Wand zurücktrat, wobei er jedesmal so nah
an Coupeau heranrückte, daß der zurückwich
aus Angst, ihm werde die Nase abgebissen.
Jäh wandelte sich das wiederum; die Wände
mußten wohl Luftsprünge vollführen, denn
von Wut und Grimm gewürgt, sagte er immer
wieder:
»Da haben wir's! Au, au! Verhaut mich, das ist
mir schnuppe! – Au, au, die Bude! Au, au,
eingestürzt! – Ja, läutet die Glocken, ihr
Schwarzröcke! Spielt die Orgel, um mich
daran zu hindern, die Wache zu rufen! – Und
hinter der Wand haben sie eine Maschine
aufgestellt, dieses Lumpenpack! Ich höre sie
genau, sie rattert, sie wollen uns in die Luft
sprengen ... Feuer! Himmelsakrament! Feuer!
Es wird Feuer geschrien! Wie das da flammt!
Oh, das wird hell, das wird hell! Der ganze
Himmel brennt, rote Feuer, grüne Feuer, gelbe
Feuer ... Hierher! Zu Hilfe! Feuer!« Seine
Schreie verloren sich in einem Röcheln. Er
brummelte nur noch zusammenhanglose
Worte, hatte Schaum vor dem Mund, das Kinn
naß von Speichel.
Der Chefarzt rieb sich mit dem Finger die
Nase, ein Tick, der ihm angesichts schwerer
Fälle zweifellos zur Gewohnheit geworden
war. Er drehte sich zu dem Assistenzarzt um
und fragte ihn mit halber Stimme:
»Und die Temperatur, immer noch vierzig
Grad, nicht wahr?«
»Ja, Herr Chefarzt.«
Der Chefarzt zog einen Flunsch. Die Augen
starr auf Coupeau geheftet, blieb er noch zwei
Minuten da. Dann zuckte er die Achseln und
setzte hinzu:
»Die gleiche Behandlung, Fleischbrühe,
Milch, Zitronenlimonade, schwacher
Chinarindenextrakt löffelweise ... Bleiben Sie
bei ihm, und lassen Sie mich rufen.«
Er ging hinaus; Gervaise folgte ihm, um ihn zu
fragen, ob keine Hoffnung mehr bestehe. Aber
er schritt so schnell über den Korridor, daß sie
ihn nicht anzusprechen wagte. Sie blieb einen
Augenblick dort aufgepflanzt stehen und
zögerte, wieder hineinzugehen und ihren Mann
zu sehen. Die Vorstellung schien ihr so schon
schwer genug zu ertragen. Als sie ihn noch
dazu schreien hörte, daß die Limonade nach
Branntwein schmecke, wahrhaftig, da machte
sie sich aus dem Staube, weil sie genug hatte
von einer Vorstellung. Das Galoppieren der
Pferde und das Rumpeln der Wagen ließen sie
auf der Straße glauben, das ganze Hospital sei
ihr auf den Fersen. Und dieser Arzt, der ihr
gedroht hatte! Wahrhaftig, sie glaubte schon,
die Krankheit zu haben.
Natürlich warteten in der Rue de la Goutted'Or
die Boches und die anderen auf sie. Sobald sie
in der Toreinfahrt auftauchte, rief man sie in
die Conciergeloge. Na und, hielt es Vater
Coupeau denn immer noch aus? Mein Gott, ja,
er halte es immer noch aus. Boche schien
verdutzt und bestürzt zu sein: er hatte um
einen Liter gewettet, daß Vater Coupeau nicht
bis zum Abend machen würde. Wie, er hielt es
noch immer aus! Und die ganze Gesellschaft
staunte und schlug sich auf die Schenkel. War
das ein widerstandsfähiger Kerl! Frau
Lorilleux rechnete die Stunden aus;
sechsunddreißig Stunden und vierundzwanzig
Stunden, sechzig Stunden. Du heiliges
Donnerwetter! Sechzig Stunden spielte er
schon mit den Stelzen und dem Maul! Solch
ein Kraftstück hatte man noch nie erlebt. Aber
Boche, der wegen seines Liters gezwungen
lachte, fragte Gervaise mit zweifelnder Miene
aus und wollte wissen, ob sie ganz sicher wäre,
daß er nicht hinter ihrem Rücken abgekratzt
sei. O nein, er hüpfte zu sehr umher, danach
habe er kein Verlangen. Da bat Boche sie, der
nicht lockerließ, ein bißchen so zu machen,
wie er es mache, damit man es mal sehe. Ja, ja,
noch mal ein bißchen, auf allgemeinen
Wunsch! Die Gesellschaft sagte zu ihr, das
wäre sehr nett von ihr, denn es seien gerade
zwei Nachbarinnen da, die es gestern nicht
gesehen hätten und die eben extra
heruntergekommen seien, um der Darbietung
beizuwohnen. Die Concierge rief dem Besuch
zu, Platz zu machen, und die Leute räumten
die Mitte der Loge, wobei sie vor Neugier
bebten und sich mit den Ellbogen anstießen.
Gervaise allerdings senkte den Kopf. Wirklich,
sie fürchtete, sich krank zu machen. Da sie
beweisen
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